Prominente Saarländer Honeckers „Heimweh“-Durst

Saarbrücken · Aus Wiebelskirchen in die Luxus-Siedlung der SED-Führung: Dort lebte der DDR-Staatschef ein Kleinbürger-Leben.

 Ein Rittersmann als Minibar: Hier bewahrte der DDR-Staatschef Erich Honecker Gläser für Hochprozentiges auf.

Ein Rittersmann als Minibar: Hier bewahrte der DDR-Staatschef Erich Honecker Gläser für Hochprozentiges auf.

Foto: Saarlandmuseum/Marlitt Schulz

DDR-Persiflagen laufen seit Jahren gut. Warum dauerte es so lange, bis er an die Reihe kam, der „Jenosse Honecker“? Der gebürtige Wiebelskircher, der 17 Millionen Bürger kujonierte, ist just dieser Tage sehr in, als Witzfigur für DDR-Betonkopf-Mentalität. Im Fernsehen hieß der Streifen „Willkommen bei den Honeckers“, im Kino „Vorwärts immer“.

Ein authentisches Bild vom Kleinbürger Erich Honecker liefert das Historische Museum Saar. Dort findet sich ein Möbelstück aus Honeckers Wohnung in Wandlitz. Dort, nördlich von Berlin, frönten DDR-Spitzenfunktionäre mit Hilfe von West-Luxus-Gütern einem munter-privilegierten Lebensstil. Doch die Bar, die sich Erich Honecker ins Wohnzimmer holte, folgte nicht etwa dem Modell der im Westen beliebten Kellerbar, sondern war eine Art Geheim-Tresor, der so putzig und geschmacklos daherkommt, dass es alle Vorurteile über den „Spießer“-Diktator Honecker zu bestätigen scheint: Die Bar verbirgt sich im Panzer eines Miniatur-Rittersmannes. Klappt man die Rüstung auf, fahren sechs Schnapsgläschen heraus.

Dabei weiß man doch aus den Memoiren von Honeckers Butler Lothar Herzog, dass der DDR-Staatschef gar kein saarländischer Genussmensch war und, anders als viele seiner Politbüro-Kollegen, höchst ungern und nur selten Hochprozentiges trank. Stattdessen viel lieber West-Dosenbier. Aus dem Saarland? Der „Spiegel“ war sich 1986 sicher. Aus „alter Verbundenheit“ hieß es, habe sich Honecker „659 Hektoliter Neunkirchener Bier‚ Schloß Privat Pilsener in Dosen“ oder aber auch „ein größeres Sortiment Saarwein für sein Büro“ in der alten Heimat geordert und habe dem damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine (SPD) einen Auftrag über 10 000 Pkw in Aussicht gestellt, „gegen alle ökonomische Vernunft“.

Das passt zum Image, das man allen Saarländern andichtet: Angeblich kommen sie ja ein Leben lang nicht von ihrer „Scholle“ los. Jedenfalls soll Honecker Anfang der 1980er Jahre einen Beauftragten nach Perl-Sehndorf geschickt haben, zum Weingut Petgen-Dahm, das daraufhin enorme Mengen Wein gen Osten schicken konnte. Zumindest erzählte das der Ökonomierat Adolf Petgen. Heimweh? Rein sprachlich war Honeckers Saar-Herkunft sowieso offensichtlich: Dass er zeitlebens sächselndes Saarländisch sprach oder auf Saarländisch sächselte, konnte jeder hören, wenn bei ihm von der „Bunsreplik“ und der „Deutsch-Gratsch-Rebbuplik“ die Rede war. Auch dass Honecker 1977 sein erstes Interview mit einer nicht-kommunistischen West-Zeitung ausgerechnet der „Saarbrücker Zeitung“ gab, war kein Zufall, sondern Zeichen seiner Verbundenheit mit der Lebenswelt, die er als „rotes Dorf“ in seiner Erinnerung trug.

Im linken proletarischen Milieu war Honecker als Sohn eines gewerkschaftlich aktiven Vaters in den 1920er Jahren sozialisiert worden. Nur zu den Beerdigungen seiner Eltern kehrte er Ende der 1940er Jahre nochmal an die Saar zurück. Dann erst wieder 1987. Damals besuchte Honecker die Bundesrepublik und kam auch zu einem Kurzbesuch ins Saarland.

Bei seiner Schwester Gertrud, die noch im Elternhaus lebte, gab es „Grimmelkuche“, beim Empfang im Neunkircher Bürgerhaus traf Honecker frühere Mitstreiter aus der Zeit des Saar-Abstimmungskampfes vor 1935, bei dem er sich als Kommunist für den Status quo engagiert hatte. Auch waren es zwei saarländische Städte – Saarlouis und Neunkirchen –, die danach die ersten deutsch-deutschen Städtepartnerschaften eingingen.

 Der ehemalige Staats- und Parteichef der DDR, Erich Honecker (1992). Er stimmte am 17. Oktober 1989 selbst für seine Absetzung.  

Der ehemalige Staats- und Parteichef der DDR, Erich Honecker (1992). Er stimmte am 17. Oktober 1989 selbst für seine Absetzung.  

Foto: dpa/-

Diese Saar-Facette im Charakterbild des DDR-Bonzen verstärkte schließlich der Sulzbacher Schriftsteller Ludwig Harig 1992. Er besuchte den Entmachteten im Untersuchungsgefängnis Moabit und berichtete vom letzten Wunsch des Neunkircher Bergarbeitersohnes. „Nur noch einmal hemm“, habe Honecker ihm gesagt, so Harig. Aus anderer Quelle erfährt man, dass der krebskranke Honecker gerne auch im Elterngrab in Wiebelskirchen hätte beerdigt werden wollen. Doch gestürzte Diktatoren sind machtlos. Honecker blieb auch nach seinem Tod Exil-Saarländer, sein Grab befindet sich dort, wo er 1994 starb, in Santiago de Chile.

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