Chronik des mittleren Ostertals Die Jahre der braunen Diktatur im Ostertal

St. Wendel · Das mittlere Ostertal ist heute eine der am besten erforschten Regionen des Saarlandes. Das ist das Verdienst der beiden Autoren Hans Kirsch und Klaus Zimmer, die seit den frühen 1980er-Jahren zahlreiche Veröffentlichungen zu ihrer Heimat vorlegten. 1990 gab der Heimat- und Kulturverein Ostertal den ersten Band der Chronik des mittleren Ostertals heraus, der die Regionalgeschichte bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges beinhaltet, gefolgt von Band 2 im Jahre 1993, der den Zeitraum bis zum Ende der Französischen Revolution umfassend.

 Band 4 der „Chronik des mittleren Ostertals“ von Hans Kirsch und Klaus Zimmer.

Band 4 der „Chronik des mittleren Ostertals“ von Hans Kirsch und Klaus Zimmer.

Foto: Heimat- und Kulturverein Ostertal e.V.

Im Jahre 2001 veröffentlichten Kirsch und Zimmer den dritten Band, der bis zum Ende des Ersten Weltkrieges reicht. 2017 gaben Sie ein voluminöses Werk in zwei Teilbänden heraus, das in mehrfacher Hinsicht einzigartig ist. Die beiden Autoren haben die Zeit seit Erscheinen des dritten Bandes genutzt, um in 20 Archiven des In- und Auslandes Quellen über das mittlere Ostertal zu erfassen und auszuwerten. Darüber hinaus haben sie Zeitzeugen zur Geschichte der Weimarer Republik und der NS-Diktatur befragt.

Band 4 hat einen Umfang von über 1300 Seiten mit über 900 Abbildungen erreicht. Den Autoren ist es gelungen, mit ihrem Werk eine breite Leserschaft, nicht nur im Ostertal, sondern auch in den Kreisen Kusel und St. Wendel anzusprechen, da auch deren Geschichte einbezogen wurde. Darüber hinaus geben Kirsch und Zimmer nicht nur die Ereignisse im mittleren Ostertal in der Weimarer Republik beziehungsweise in der NS-Diktatur auf der örtlichen Ebene wider, sondern stellen einleitend jeweils die große Politik beziehungsweise die Umwälzungen dar. Dadurch können Leserinnen und Leser, denen die zentralen geschichtlichen Linien nicht mehr vertraut sind, die Situation in ihrer Heimat viel besser nachvollziehen.

Den Autoren ist sehr daran gelegen, nicht nur die Verwaltungsstrukturen der Region darzustellen, sie interessieren sich auch für die Auswirkungen geschichtlicher Geschehnisse auf den einzelnen Bürger. So werden wir konfrontiert mit der extremen Not, die wegen der Grenzlandlage des mittleren Ostertals durch die Abtrennung des Saargebietes in den Jahren 1920 bis 1935 hervorgerufen wurde.

In älteren Heimatbüchern wird die Zeit der braunen Diktatur nur am Rande gestreift. Im Vorwort schreiben die Autoren, dass es ihnen fern lag, mit dem moralischen Zeigefinger auf die Menschen der damaligen Zeit zu zeigen, sondern sie haben sich bemüht, sachlich die Gegebenheiten zu schildern, ohne etwas zu verschweigen. Die Institutionen der NS-Diktatur, die den gesamten Menschen erfassen und gleichschalten wollten, werden allesamt vorgestellt. Funktionäre und ihr Werdegang werden dargelegt, aber auch die Opfer des Nationalsozialismus. So wird beispielsweise Menschen, die der verbrecherischen Euthanasie-Politik zum Opfer fielen, ihre Würde zurückgegeben. Auch das Schicksal von Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern wird berücksichtigt.

Allein die Darstellung der Kriegsjahre und die Befreiung der sieben Gemeinden der Bürgermeisterei Niederkirchen i.O., Bubach, Hoof, Marth, Niederkirchen, Osterbrücken, Saal und Selchenbach, wird auf 250 Seiten abgehandelt. Hier finden sich zahlreiche Fotos aus einem Washingtoner Archiv.

Ein weiteres Kapitel bezieht sich auf Handel und Gewerbe. Neben den Ostertaler Kleinbergwerken, der Steinkohlengrube Breitenbach (Labach), den Genossenschaften, werden auch einstige Wirtshäuser vorgestellt. Elektrizitätsversorgung, Friedhöfe und Kriegerdenkmäler, Schulen, Landschafts- und Siedlungsbau, der Ostertalbahnbau, die Post ‒ es bleibt kein Bereich unberücksichtigt.

Hans Kirsch und Klaus Zimmer setzen mit ihrer meisterhaften Chronik des mittleren Ostertals Maßstäbe für andere Heimat- und Geschichtsvereine und spornen sie an, den Menschen ihres Forschungsbereichs und Lebensraums ein vergleichbares Geschenk zu bereiten.

Band 4 der Chronik umfasst mehr als 1300 Seiten und besteht aus zwei Teilbänden, die nur zusammen verkauft werden (42,50 Euro). Bestell-Annahme: Ewald Wailersbacher, Tel. (0 68 56) 660, E-Mail: familie.wailersbacher@t-online.de

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