Das technische Wunder von Camphausen

Quierschied · Die Saarländer könnten so stolz auf ihn sein wie die Hamburger auf ihren Alten Elbtunnel. Doch viele wissen nicht mal, dass es ihn gibt, den Förderturm Camp hausen IV. Dabei ist er ein einzigartiges Zeugnis der Ingenieurskunst.

 Als läge ein romantischer Schimmer über dieser Ansicht Camphausens mit dem charakteristischen Hammerkopf-Fördertum: Walter Bernstein, der bedeutendste Industriemaler des Saarlandes, schuf dieses Aquarell um 1970. Foto: Walter Bernstein/Delf Slotta

Als läge ein romantischer Schimmer über dieser Ansicht Camphausens mit dem charakteristischen Hammerkopf-Fördertum: Walter Bernstein, der bedeutendste Industriemaler des Saarlandes, schuf dieses Aquarell um 1970. Foto: Walter Bernstein/Delf Slotta

Foto: Walter Bernstein/Delf Slotta

Ein Förderturm ist ein Fördertum und kein Fördergerüst. Was gern landläufig als Förderturm tituliert wird, ist meistens gar keiner. Oft handelt es sich bei den historischen Landmarken des Saarlandes um Fördergerüste wie etwa auf der Grube Itzenplitz aus Eisenfachwerk gebaut. In Fischbach-Camphausen aber steht ein echter Förderturm. Sogar ein deutschlandweit einzigartiger. So besonders, dass ihn die Bundesingenieurkammer zum "Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst" kürte (wir berichteten), eines von nur 18 in der gesamten Republik. Damit auch in bester Gesellschaft: Der Stuttgarter Fernsehturm und der Alte Elbtunnel in Hamburg gehören dazu.

Derart bekannt ist Camphausen - leider - noch nicht. Dabei war der Hammerkopf-Förderturm, als er von 1910 bis 1912 gebaut wurde, eine technische Großtat. Schon weil der Konstrukteur, Stahlbetonpionier Karl Walter Mautner, der engen Platzverhältnisse auf der Grube Camphausen wegen die beiden Fördermaschinen, die die Förderkörbe aus der Tiefe des Schachtes wuchteten, oben im Turm selbst unterbrachte; üblicherweise standen die Maschinen neben dem Turm. Daher auch die charakteristische Hammerkopf-Form.

Auch heute noch ist der 40 Meter hohe Beton-Gigant das Wahrzeichen des Fischbachtals, obwohl bereits 1990 die Förderung eingestellt wurde. Der 104-Jährige aber stehe immer noch da "wie eine Eins", attestiert ihm der saarländische Bergbauexperte Delf Slotta.

Der Direktor des Instituts für Landeskunde hat nun in einer Schriftenreihe der Bundesingenieurkammer dem Förderturm Camphausen IV einen äußerst lesenswerten Band gewidmet. Natürlich steht die Technik im Vordergrund. Doch Slotta und sein Co-Autor, der Architektur-Historiker Alexander Kierdorf, betten dies gekonnt in den (industrie-)historischen Kontext ein und zeigen auch künftige Nutzungsoptionen auf. Zudem bietet das Buch eine Fülle historischer Fotografien. Wer bei hiesiger Industriegeschichte immer bloß an Dreck, Ruß und Plackerei am Hochofen oder unter Tage denkt, kann nun geradezu exemplarisch auch Ingenieurskunst und Innovationskraft entdecken. Gaben, die das Saarland auch heute noch dringend braucht.

 Es brauchte 1911 nur wenige Monate, bis der Rohbau des Förderturms Camphausen IV in die Höhe wuchs. Fotos: RAG AG

Es brauchte 1911 nur wenige Monate, bis der Rohbau des Förderturms Camphausen IV in die Höhe wuchs. Fotos: RAG AG

 Gut sind hier die Stützen und Streben zu sehen, auf denen der Turm ruht. Später wurde darum die Schachthalle gebaut.

Gut sind hier die Stützen und Streben zu sehen, auf denen der Turm ruht. Später wurde darum die Schachthalle gebaut.

Der Förderturm Camphausen IV: Delf Slotta, Alexander Kierdorf, hrsg. von der Bundesingenieurkammer, Bd. 18, 108 Seiten, ISBN 978-3-941867-20-8

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