Heiliger Rock gibt Rätsel auf

Trier. Der Heilige Rock von Trier birgt noch viele Geheimnisse. Ob es tatsächlich das Gewand ist, das Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen hat, wird wohl nie zu klären sein. Andere Fragen aber, etwa zur Entstehung der vielschichtigen Textil-Tunika und ihrer Veränderungen über die Jahrhunderte, könnten möglicherweise noch genauer erforscht werden

 Der Heilige Rock, den Jesus Christus getragen haben soll, wird bei der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier öffentlich gezeigt. Foto: dpa

Der Heilige Rock, den Jesus Christus getragen haben soll, wird bei der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier öffentlich gezeigt. Foto: dpa

Trier. Der Heilige Rock von Trier birgt noch viele Geheimnisse. Ob es tatsächlich das Gewand ist, das Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen hat, wird wohl nie zu klären sein. Andere Fragen aber, etwa zur Entstehung der vielschichtigen Textil-Tunika und ihrer Veränderungen über die Jahrhunderte, könnten möglicherweise noch genauer erforscht werden. Aber: Der Heilige Rock liegt normalerweise verschlossen in einem klimatisierten Schrein in einer eigenen Kapelle im Trierer Dom. Nur ganz selten, wie demnächst bei der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier vom 13. April bis 13. Mai, können Pilger das Gewand überhaupt sehen. Dazu werden 500 000 Menschen erwartet.Der Trierer Theologe und Kunsthistoriker Markus Groß-Morgen würde den Rock nach der Wallfahrt gerne erneut wissenschaftlich untersuchen lassen. "Es geht darum, der Geschichte der Reliquie auf die Spur zu kommen. Nicht um deren Echtheit", sagte der Wissenschaftler, der das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum in Trier leitet und sich intensiv mit der Tuchreliquie beschäftigt hat. Zuletzt für die Ausstellung "Das Gewand - 500 Jahre Wallfahrt zum Heiligen Rock nach Trier", die am 23. März im Museum beginnt.

Bei den Vorbereitungen hat er eine neue Theorie entwickelt. Dazu muss man wissen: Das Gewand, das wir heute sehen, ist eine Hülle und nicht die eigentliche Tuchreliquie. Diese steckt - in Form eines stark verfilzten Wollteils - im Rückteil des Gewands. Bislang gingen Forscher davon aus, dass die Hülle im Jahr 1512 geschaffen wurde, als man den Heiligen Rock im Hochaltar des Trierer Doms fand. Groß-Morgen aber ist der Ansicht, dass der Heilige Rock bei seiner Auffindung bereits die Form und Hülle hatte, die wir heute kennen.

Heißt: Er wurde bereits 1196 bei der Weihe des Hochaltars in Tunika-Form in eine Truhe gelegt und im Altar verborgen - so seine Theorie. Er begründet dies mit Beobachtungen von Augenzeugen, die 1512 ein blumiges Muster mit Figuren (Vogelmuster) beschrieben und von dem äußerst feinen Stoff angetan waren. Dabei handele es sich um byzantinische Seidenstoffe aus dem 7. oder 8. Jahrhundert. Wann diese Hülle angebracht wurde, sei unklar. "Wir wissen nichts über den Rock vor 1196". Der Legende nach hat die Heilige Helena das Gewand auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem im 4. Jahrhundert entdeckt und es der Trierer Kirche zum Geschenk gemacht.

Die neue Theorie von Groß-Morgen könnte stimmen, meint Textilarchäologin und Kunsthistorikerin Regula Schorta, Direktorin der Abegg-Stiftung in Riggisberg bei Bern. Sie kommt regelmäßig nach Trier, um Zustandskontrollen am Rock zu machen. "Da schauen wir in der Regel, ob das Klima stimmt, oder ob sich Schimmel gebildet hat." Auch sie fände ein Forschungsprojekt zur Untersuchung der Tunika sinnvoll. Man müsse aber abwägen: "Jede große Untersuchung ist ein Eingriff, bei dem man möglicherweise Nähte öffnen muss", sagt sie. Und der Rock sei ohnehin in einem schlechten Zustand. "Ganz klar: Er verfällt", sagt Groß-Morgen.

Die Abegg-Stiftung ist seit den 1970er Jahren für die Restaurierung des Rocks zuständig. Die letzte größere wissenschaftliche Untersuchung war in den Jahren 1973/74. Über die Jahrhunderte waren immer wieder neue Schutzhüllen dazukommen, immer wieder blätterten Teile ab. Besonders geschadet hat eine Gummilösung, die man 1890 als Kleber verwendet hatte, um das Ablösen zu stoppen. Auch Schimmel habe dem Gewand zugesetzt. Nach Angaben des Trierer Wallfahrtsleiters Georg Bätzing steht eine wissenschaftliche Untersuchung derzeit nicht auf der Agenda. "Da gibt es momentan keine konkrete Planung."Foto: dpa

"Wir wissen nichts über den Rock

vor 1196."

Groß-Morgen

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