Serie Woran glaubst Du? Heidnischer Glaube im Christentum

Gersheim-Rubenheim · Ob Weihnachtsbaum, Osterfeuer oder Hexennacht: Volkskundler Gunter Altenkirch erklärt die Riten.

 Osterfeuer sind ein Symbol der Wiederauferstehung, dienen jedoch auch dazu, den Winter zu vertreiben.

Osterfeuer sind ein Symbol der Wiederauferstehung, dienen jedoch auch dazu, den Winter zu vertreiben.

Foto: picture alliance / dpa/Marcel Kusch

Ob Weihnachtsbaum oder Osterfeuer: Viele bis heute christliche Bräuche haben eigentlich einen heidnischen Hintergrund. „Der christliche Glauben geht mehr und mehr zurück. Umgekehrt gibt es eine Zunahme von Aberglauben“, sagt der saarländische Volkskundler Gunter Altenkirch, der in einem alten Bauernhaus in Gersheim-Rubenheim das Museum für dörfliche Alltagskultur und saarländischen Aberglauben unterhält. Viele Zeitzeugengespräche hat er über Jahrzehnte geführt über das, was Leute glauben, etliche Literatur dazu gesammelt und eine museale Sammlung mit mehr als 1500 Exponaten zusammengetragen.

„Laut Statistik gehen nur noch vier Prozent der Protestanten und zehn Prozent der Katholiken in die Kirche“, sagt Altenkirch: „Und auf dem Weg zum Gottesdienst sind so gut wie keine Jugendlichen mehr dabei. Und fragt man sie, warum sie nicht in die Kirche gehen, zucken sie nur die Schulter und können keine Antwort drauf geben.“ Umgekehrt nehme die Zahl derer immer mehr zu, die einen Talisman oder ein Amulett tragen oder sich ein Tattoo auf die Haut stechen lassen. Dazu würden im Internet immer öfter die kuriosesten und dümmsten Aberglauben-Geschichten vom Maggi als Lieblingsgetränk der Berg­leute unter Tage bis zum „alles in Butter“-Erklärspruch kursieren.

Der angeblich im 16. Jahrhundert erstmals im elsässischen Straßburg auf einer Art Weihnachtsmarkt aufgetauchte Weihnachtsbaum mit Lampen drauf hatte laut Altenkirch schon viel frühere Vorgänger und „geht auf die Sehnsucht der Mitteleuropäer in der Winterzeit nach Licht und Grünem zurück“. In diesem Kontext müsse man den Weihnachtsbaum, aber auch den Barbarazweig-Brauch am 4. Dezember sehen. Beim Osterfeuer und der Hexennacht zum 1. Mai sieht Altenkirch den „heidnischen Ursprung, ein Feuer zu errichten, um den Winter und das Böse auszutreiben“. In christlicher Zeit sei dieser Brauch dann später übernommen worden. „Aus dem kollektiven Gedächtnis konnte man bis in die 1980er Jahre noch Relikte der alten gallogermanischen Religion entdecken“, sagt Altenkirch: Gott Wodan und seine Frau Holda wurden aber bis in die Nazi-Zeit vom Volk so nicht genannt und hießen nur „der alt Herrgott“ und die „alt Gottesmutter“, parallel zum „lieben Gott“.

„Der klassische Aberglaube unseres Raumes ist nicht zu verstehen ohne gute Kenntnisse der gallogermanischen Religion“, behauptet der 75-jährige Altenkirch, der selbst christlich erzogen wurde und ein Semester evangelische Theologie studiert hat. Als Paradebeispiel für die Vermischung von Glaube und Aberglaube zeigt er in seinem Museum ein 1950 in einem alten Wohnhaus in Rehlingen gefundenes Dachbalkenstück, auf dem die getrocknete Zunge eines Fuchses zur Abwehr des Bösen mit einem kleinen Kreuz aus einem Rosenkranz aufgebracht ist. „Gegen Blitzeinschlag war der gefundene Dachbalken jedenfalls geschützt“, sagt Altenkirch. Bei seinen Zeitzeugengesprächen hat er immer wieder die Leute nach dem Glauben ans ewige Leben befragt. Sein Fazit: „Die meisten glauben nicht daran, einmal neben dem lieben Gott auf dem Stuhl zu sitzen oder als Engel oben am Himmel rumzuschwirren. Was aber ersehnt wird, ist ewiger Frieden und ewige Ruhe, so wie es auch auf vielen Grabsteinen steht.“

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Foto: SZ/Astrid Mueller
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