Hans Wagner drängt Georg Jung aus dem Amt

Die Stimmung im St. Ingberter Rathaus ähnelt einem Fußball-Endspiel. Der entscheidende Treffer ist gerade gefallen, die Schlacht geschlagen. Inmitten der jubelnden Menge steht Hans Wagner mit seiner Frau Karin und Sohn Ruven. Die Wagner-Sympathisanten haben das Foyer fest in der Hand, skandieren "Hans kann's". 52 Prozent hat der unabhängige Kandidat bei der Stichwahl geholt

Die Stimmung im St. Ingberter Rathaus ähnelt einem Fußball-Endspiel. Der entscheidende Treffer ist gerade gefallen, die Schlacht geschlagen. Inmitten der jubelnden Menge steht Hans Wagner mit seiner Frau Karin und Sohn Ruven. Die Wagner-Sympathisanten haben das Foyer fest in der Hand, skandieren "Hans kann's". 52 Prozent hat der unabhängige Kandidat bei der Stichwahl geholt. Für Amtsinhaber Georg Jung votieren knapp 48 Prozent. Das Duell hat fast so viele Bürger an die Wahlurnen gebracht wie beim ersten Anlauf vor zwei Wochen - und sie entscheiden mehrheitlich, dass ab kommenden Sommer ein neuer Mann die Belange der Stadt lenkt.Brechend voll ist's im Rathausfoyer während der Übertragung der Ergebnisse aus den Wahllokalen. Hat Amtsinhaber Jung zunächst noch die Nase vorn, wird es um 18.15 Uhr laut, als die ersten Rohrbacher Wahlbezirke den Ortsvorsteher des Stadtteils über die 50-Prozent-Marke hieven. Nach einer halben Stunde sind bis auf die drei Briefwahl-Bezirke alle Stimmen gezählt, Wagner hat 639 Wähler mehr als Jung. Auch wenn die folgende halbe Stunde für seine Anhänger quälend lang wird, dieser Vorsprung ist ihm nicht mehr zu nehmen.

Das zeigt sich währenddessen auch im St. Ingberter Eventhaus, wo die Jung-Anhänger einen deprimierenden Wahlabend erleben. Wie Rentrischs Ortsvorsteher Dieter Schörkl hatten die meisten der gut 200 Besucher, die bei der Wahlparty der CDU auf die Alte Schmelz dabei sind, mit einem knappen Ergebnis gerechnet. Doch je mehr Stimmen auf einer Leinwand angezeigt werden, wächst die Erkenntnis, dass Wagner und nicht der eigene Favorit Jung in der Stichwahl die Nase vorn hat. Im Eventhaus schlägt die anfänglich gespannte Erwartung minutenschnell über Bangen in Entsetzen um. "Ich bin wahnsinnig enttäuscht", sagt der Landtagsabgeordnete Günther Becker. Er habe geahnt, dass es gegen "eine Volksfront alle gegen einen" für Jung trotz eines engagierten Wahlkampfs eng werde.

"Wir haben den Nerv getroffen", sagt Wagner derweil in die Mikrofone, "die Bürger wollen mehr Demokratie". Jetzt gelte es etwas gegen die Politikverdrossenheit zu tun.

Zu den ersten Gratulanten zählt Staatskanzlei-Chef Andreas Storm. Innenminister Stephan Toscani und der amtierende Oberbürgermeister treten etwas später am gleichen Ort vor die Kameras. Jung ist enttäuscht und spricht von einem "nicht immer fairen Wahlkampf". Toscani erinnert an die "starke Polarisierung" und die Zerreißprobe der CDU im Frühjahr, als Fraktionssprecher Markus Gestier parteiintern gegen Jung angetreten war. Das habe Jung geschadet und womöglich die entscheidenden Stimmen gekostet. Wie es mit seiner Partei in St. Ingbert weitergehe, müsse nun in den Gremien besprochen werden. Einen "bitteren Abend für Georg Jung" konstatiert Annelie Kramp-Karrenbauer, die zur CDU-Wahlparty stößt, als Wagners Sieg schon feststeht. "Die St. Ingberter OB-Wahl hatte aber auch ihren eigenen Hintergrund, sehr speziell, sehr lokal", meint die Ministerpräsidentin.

Wagner schüttelt parallel im Rathaus viele Hände. Stadtratsmitglieder seiner eigenen Fraktion, der Familien-Partei, aber auch FDP, Grüne, Freie Wähler Linke und SPD'ler beglückwünschen ihn. "4000 Wähler sind zu mir hinübergewandert", sagt Wagner. Er könne es noch gar nicht fassen.

Meinung

Die Signale des Wechsels

Von SZ-RedakteurMichael Beer

Am Ende war er dann doch selbst ein wenig verblüfft: Der Rohrbacher Hans Wagner, dem es an Selbstbewusstsein sicher nicht mangelt, wird im kommenden Jahr St. Ingberts Oberbürgermeister. Seine Themen wie bezahlbare Zukunft, Transparenz und Zusammenarbeit jenseits der Parteiengrenzen haben gezogen. Dazu ist es ihm gelungen, die Hausmacht im zweitgrößten Stadtteil zu mobilisieren. Nur jeder vierte Rohrbacher unterstützte Amtsinhaber Georg Jung, der in allen anderen Stadtteilen vorne lag.

Die Bürger haben sich für einen Wechsel entschieden, der St. Ingberter Stadtrat muss sich ebenfalls neu erfinden. Die Jamaika-Koalition ist an die Wand gefahren. Nach Aussage der Fraktionsspitzen nicht wegen der Zusammenarbeit im Rat, sondern wegen der Diskrepanzen mit der Verwaltung. Ein neues Bündnis muss sich finden, soll die Mittelstadt nicht in den kommenden Monaten bis zum Machtwechsel in Lethargie erstarren. Dazu müssen zunächst die beiden größten Fraktionen, CDU und SPD, interne Verwerfungen aufarbeiten. Sie sind auch ein Spiegel des Risses, der momentan durch St. Ingbert geht. Ihn zu kitten ist eine Aufgabe, die der Wähler dem Stadtoberhaupt gestellt hat.

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