"Guter Standort für die Nahversorgung"Geht Investorenwunsch vor ökologischer Vernunft?

Brotdorf. Clemens Dahlem ist überzeugt: Die überwältigende Mehrheit der Menschen in Brotdorf steht hinter seinem Projekt - der Ansiedlung eines Rewe-Einkaufsmarktes in der Pützwiesenstraße

Brotdorf. Clemens Dahlem ist überzeugt: Die überwältigende Mehrheit der Menschen in Brotdorf steht hinter seinem Projekt - der Ansiedlung eines Rewe-Einkaufsmarktes in der Pützwiesenstraße. "Ich habe das Ganze vor wenigen Tagen auf dem Neujahrsempfang des Ortsvorstehers vorgestellt und dort nur Zustimmung erfahren", sagt der Projektentwickler aus dem Mandelbachtal, der mit seinem Planungsbüro das Vorhaben verwirklichen will. Darum kann er die Kritik, die nach dem zustimmenden Votum des Stadtrates kurz vor Weihnachten aus den Reihen von Anwohnern laut geworden ist, nicht nachvollziehen (siehe separaten Text).

Kritik zurückgewiesen

Deren Kritikpunkte weist Projektentwickler Dahlem im Gespräch mit der SZ zurück: "Die Ansiedlung wurde im Zuge des Planungsverfahrens gutachterlich umfassend begleitet, wir haben alle kritischen Punkte berücksichtigt", sagt er. So gebe es ein Bodengutachten des Erdbaulaboratoriums Saar (ELS), das auch bei anderen Bauvorhaben in dem betreffenden Gebiet tätig gewesen sei. In der Tat sei es so, dass in dem Areal der Grundwasserspiegel vergleichsweise hoch sei, schon etwa ein bis zwei Meter unter der Erdoberfläche könne man auf Wasser treffen. Auch gebe es gewachsenes, festes Erdreich erst in einer Tiefe von etwa vier bis fünf Metern, darüber befinden sich Schichten von Auesand und -lehm oder Torf, sagt Dahlem.

Pfähle aus Schotter

Aber diesen Umständen trage die Bauweise des Marktes Rechnung: "Das Gutachten schlägt eine so genannte Rüttelstopfverdichtung vor." Dafür würden 150 bis 200 Pfähle aus verdichtetem Schotter errichtet, die einen Durchmesser von 40 Zentimetern haben und bis hinunter auf den gewachsenen Boden reichen. Auf diesen Pfählen werde eine biegesteife Bodenplatte ruhen, die quasi wie ein Deckel über dem Erdreich liegt. "Damit greifen wir nicht in den Wasserhaushalt ein und lassen die dazwischen liegenden Schichten aus Auesand und Torf weitgehend unberührt - und trotzdem ergibt das eine absolut sichere Gründung", bekräftigt Clemens Dahlem. Eine zweite Möglichkeit laut Gutachten wäre, die unter der Bodenplatte befindliche Schotterschicht deutlich dicker auszugestalten als üblich. Welche der beiden Varianten realisiert wird, das werde noch geprüft, sagt der Projektplaner.

Dahlem weist den Vorschlag aus den Reihen der Kritiker zurück, den Markt auf dem derzeit ungenutzten Betriebsgelände der Firma Regler in unmittelbarer Nähe des geplanten Standortes zu errichten: "Wir haben im Zuge der Planungen diese Variante selbst geprüft und dabei von den Eigentümern des Geländes erfahren, dass es dafür nicht zur Verfügung steht."

Auch die Verkehrssituation sei von Fachgutachtern untersucht worden. Dass der Markt hauptsächlich von der Provinzialstraße her über eine eigene Zufahrt zu erreichen ist, sei eine Forderung des Rewe-Konzerns als Marktmieter gewesen. "Für Rewe war es wichtig, dass der Markteingang von der Provinzialstraße her zu sehen ist, damit auch der Durchgangsverkehr auf den Markt aufmerksam wird." Für Kunden aus dem Ort werde auf Wunsch der Stadt eine eigene fußläufige Verbindung von der Hausbacher Straße gebaut.

Auch Nabu begrüßt Ansiedlung

Dahlem verteidigt die Marktansiedlung auch aus infrastrukturellen Gesichtspunkten: "Das ist ein integrierter innerörtlicher Standort, der exakt die Vorgaben des Landes-Entwicklungsplans Siedlung zur Nahversorgung erfüllt." Selbst der örtliche Naturschutzbund (Nabu) habe öffentlich die Ansiedlung begrüßt. Wie Dahlem sagt, habe es für den Standort auch Interessenten aus der Discounter-Branche gegeben - "aber das hätte die Landesplanung nicht mitgemacht". So aber komme mit Rewe nun ein Lebensmittel-Vollsortimenter nach Brotdorf, der einen Mietvertrag über 15 Jahre ohne Sonderkündigungsmöglichkeit unterschrieben habe. Dass es für diesen Markt einen Bedarf gebe, habe auch ein Einzelhandelsgutachten der Stadt Merzig belegt. Zudem sei es nun endlich gelungen, nach der Schließung des letzten größeren Einkaufsmarktes in Brotdorf vor mehr als zehn Jahren wieder eine Neuansiedlung in den Ort zu bringen - "das hat vorher niemand geschafft". Merzig. "Ganz offensichtlich" eigne sich der jetzige hierfür nicht. Rauch: "Zum einen, weil er in einem Gebiet gebaut werden soll, wo es zumindest aus ökologischer Sicht, nicht ganz unproblematisch ist und vor allem sehr feucht und sumpfig ist. Zum anderen gibt es dort einige Anwohner, die ihre Lebensqualität erheblich eingeschränkt sehen, wenn sie künftig in unmittelbarer Nähe des Verbrauchermarktes leben müssen." Zudem vermuten sie, dass ihre Immobilien an Wert verlieren, weil sie Schäden an ihren Häusern befürchten - zumindest hätten sie dies jüngst in den Medien so formuliert.

Doch vermuten die Merziger Grünen, dass der Investor genau diesen Standort haben will. Denn er liege direkt an der viel befahrenen Provinzialstraße. Von dort aus soll der Verbrauchermarkt auch angefahren werden. "Nur aus diesem Grund", mutmaßt Rauch, sei dieses Wiesengrundstück ausgesucht worden. Der Grünen-Sprecher: "Denn es gibt sicher Flächen in Brotdorf, die bereits gewerblich genutzt wurden und auf denen damit möglicherweise weniger ökologischer Schaden angerichtet wird als auf der vorgesehenen." Doch Investorenwunsch gehe häufig vor ökologischer Vernunft, kritisiert der Grüne. Dies sei auch schon in Merzig so praktiziert worden. Dort habe sich bei der Debatte um die Rewe-Ansiedlung auf dem Postgelände die Mehrheit des Stadtrates, gegen die Stimmen der Grünen, entschieden, die Verkehrsführung nach dem Willen eines Investors zu ändern. "Dass dieser Standort richtig und gut ist, steht außer Frage." Doch die neue Verkehrsführung stellt für die Grünen ein Problem dar, das der weiteren Stadtentwicklung im Weg steht. Darin sieht Rauch ein Problem: "Nicht die von den Bürgern gewählten Stadträte treffen die Entscheidungen, sondern Investoren, die nach ihren Kriterien die Bedingungen für eine Investition aufstellten." Ein weiteres Beispiel hierfür sei Brotdorf. "Nach unserer Auffassung gibt es in Brotdorf ganz sicher einen anderen Standort", sagt Rauch.

"Wir müssen als Stadtrat das Heft des Handelns wieder mehr in die Hand nehmen", findet das grüne Stadtratsmitglied. Der Rat sollte wieder viel stärker Verantwortung übernehmen. Er müsse derjenige sein, der die Bedingungen formuliert, wo in der Stadt investiert werden soll und wo nicht. "Derzeit sieht es so aus, als ob andere diese Entscheidungen träfen und nicht die politisch Verantwortlichen in der Stadt Merzig." red

Hintergrund

Eine unmittelbare Nachbarin des künftigen Marktes, Iris Schlemmer, hatte in der SZ angekündigt, alle Möglichkeiten zu prüfen, um den Marktbau in der Pützwiesenstraße doch noch zu verhindern. Sie hatte ihre Ablehnung mit mehreren Argumenten begründet: Zum einen seien die Bodenverhältnisse an dem geplanten Standort so problematisch, dass durch den Neubau eines Marktes in dem dortigen Feuchtgebiet ein Absinken des Grundwasserspiegels eintreten könnte, der Schäden an den umliegenden Gebäuden verursacht. Weiterhin sieht Schlemmer eine erhebliche Verkehrsbelastung auf die Bewohner der Pützwiesenstraße zukommen. Und zudem ist der Markt aus ihrer Sicht für einen Ort wie Brotdorf überdimensioniert (die SZ berichtete). red

Auf einen Blick

Projektentwickler Clemens Dahlem nennt einen straffen Zeitplan für die Rewe-Ansiedlung. "Noch in diesem Monat" wolle sein Unternehmen, die AP Projektentwicklung, den Bauantrag einreichen. Im März seien die vorbereitenden Bodenarbeiten geplant, Ende April/Anfang Mai sollen die Bauarbeiten an dem Gebäude beginnen. Die Eröffnung des Marktes ist demnach für Ende November geplant. Wie Dahlem weiter erläutert, wird sein Unternehmen das gesamte Projekt bis zum Bau des Marktes abwickeln und später das gesamte Gelände an einen Investor übertragen, der gegenüber dem Rewe-Konzern als Vermieter auftritt. Es stünden drei Investoren zur Auswahl, einer davon komme aus dem Raum Merzig. Für welchen der drei Investoren man sich entscheide, werde bis zum Frühjahr geklärt, sagt Dahlem. red

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