Ex-Grünen-Chef Hubert Ulrich attackiert Partei-Mehrheit „Schweinerei“, „menschenverachtend“, „widerlich“ – Heftiger Streit zum Start des Parteitags der Saar-Grünen

Merzig-Besseringen · Die Grünen im Saarland sind sich weiter nicht grün. Das wurde am Sonntag bereits zum Auftakt des Landesparteitags in Besseringen deutlich. Einmal mehr im Zentrum der Konflikte: Hubert Ulrich und seine Anhänger. Einer davon wurde abgewählt.

 Hubert Ulrich wählte am Sonntag deftige Worte.

Hubert Ulrich wählte am Sonntag deftige Worte.

Foto: Oliver Dietze

Parteitage der Grünen im Saarland sind oft ein Spektakel gewesen. Selten gab es danach Konstruktives zu berichten, denn innovative Ideen für die Zukunft des Landes standen bei den Grünen zuletzt nicht mehr im Mittelpunkt – stattdessen: auf offener Bühne ausgetragene Konflikte. Noch immer beschäftigt sich die Partei vor allem mit sich selbst, noch immer dreht sich dabei fast alles um den bekanntesten und umstrittensten Grünen im Land: Hubert Ulrich.

Ulrich verteidigt Torsten Reif

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Foto: dpa/Harald Tittel

Und als der am Sonntag nach 32 Minuten im Bürgerhaus von Merzig-Besseringen ans Rednerpult trat, wo sich rund 100 Delegierte zum Landesparteitag 2022 versammelt hatten, wurde es direkt deftig. Ulrich hielt eine emotionale Verteidigungsrede auf seinen langjährigen Vertrauten Torsten Reif, der als politischer Geschäftsführer der Saar-Grünen abgesetzt werden sollte. Die Begründung, die von Ex-Spitzenkandidatin Lisa Becker vorgetragen wurde: Weder im Wahlkampf noch darüber hinaus habe der politische Geschäftsführer seine Aufgaben erfüllt oder in nicht ausreichender Weise. Das Vertrauensverhältnis zu weiten Teilen des Landesvorstandes sei „zerrüttet“.

Ulrich wirft Landeschefs „komplettes Versagen“ vor

Ulrich sprach von einer „persönlichen Vernichtung eines Menschen“: „Das ist eine Schweinerei, das hat Torsten nicht verdient“, schimpfte Ulrich, der das Vorhaben, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, zudem „menschenverachtend“ und „widerlich“ nannte. Torsten Reif müsse als „Sündenbock“ herhalten für den „grandiosen Wahlerfolg“ von 4,99 Prozent bei der Landtagswahl, höhnte Ulrich. Statt auf Torsten Reif einzuprügeln, müsse sich der Parteitag mit dem „kompletten Versagen“ der amtierenden Landeschefs Uta Sullenberger und Ralph Nonninger befassen. Sie seien noch nicht einmal in der Lage gewesen, der SZ ein Sommerinterview zu geben, erklärte Ulrich, der das eine „politische Bankrotterklärung erster Klasse“ nannte.

Auch die „Nacktfoto“-Affäre wird Parteitagsthema

Und selbst eine am Freitag von einer Boulevardzeitung ins Rollen gebrachte „Nacktfoto-Affäre“ machte Ulrich zum Thema. Es geht dabei um das Bild eines Bikini-Hinterns, das Nonninger in einen privaten Whatsapp-Chat als Gruppenfoto gestellt haben soll, was dieser bestreitet („Missverständnis“). Zu der Gruppe wurde auch die stellvertretende Landesvorsitzende Kiymet Göktas eingeladen, die den Vorfall scharf verurteilte. „Er verstößt gegen elementare Werte unserer Partei und wurde daher an die entsprechenden Partei-Gremien weitergeleitet“, sagte Göktas der „Bild“-Zeitung.

Buh-Rufe und kräftiger Applaus

Ulrichs Rede wurde von heftigen Buh-Rufen begleitet, nur an einem Tisch gab es Applaus. Ein klarer Hinweis auf die neuen Machtverhältnisse in der Partei. Der Antrag zur Neuwahl des politischen Geschäftsführers wurde entsprechend mit großer Mehrheit angenommen. Ebenso eindeutig – mit 87 von 104 abgegebenen Stimmen – wurde Hanko Zachow aus Schmelz, bislang Beisitzer im Landesvorstand, zum Nachfolger von Torsten Reif gewählt. Und mit lautem Applaus gefeiert.

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