Großstadtlyrik als Schauspiel-Erlebnis

Türkismühle · „Sie wissen vor Staunen nicht aus, nicht ein. Sehen und wundern sich bloß.

Die Bahnen rasseln. Die Autos schrein. Sie möchten am liebsten zu Hause sein. Und finden Berlin zu groß." Diese Zeilen von Erich Kästner beschreiben die ersten Eindrücke von Berlinbesuchern, sind schon fast 100 Jahre alt und doch erstaunlich aktuell. Den Unterschied zwischen Stadt und Land findet man heute allerdings woanders. Früher zogen Menschen vom Land in die Stadt, um dort Arbeit zu finden.

Heute zieht man wieder zurück aufs Land, um dort Ruhe zu finden, pendelt aber oft auch noch in die nächste Großstadt, um dort zu arbeiten, was früher technisch gar nicht möglich war.

Während die Schüler der zehnten Klassen, die in diesem Jahr ihren Mittleren Bildungsabschluss erreichen, normalerweise Gedichte im Unterricht analysieren müssen, ist an diesem Morgen reines Genießen angesagt.

Im Rahmen einer einstündigen Lesung mit anschließender Diskussion demonstrieren Eva Coenen und Nicolas Bertholet, Schauspieler am Theater Überzwerg, wie man lyrische Texte stimmlich, rhythmisch, akustisch, schauspielerisch umsetzen kann, ohne in trockenes Erörtern zu verfallen. Dazu ziehen die Theaterprofis alle Register, verwenden Modellhochhäuser als Resonanzkörper, spielen und rezitieren mitten im Publikum, suchen imaginäre Bahnhöfe mit Hilfe nicht vorhandener, virtueller Pläne.

Gut 20 Gedichte in verschiedenen Inszenierungsformen und Schwerpunkten werden vorgetragen, das Motiv Großstadt in all seinen Facetten wie Isolation, Anonymität, Lebenslust und Dynamik beleuchtet. Ein sehr spannendes Erlebnis! Unterstützt werden die Lesungen der Gesamtschule Türkismühle vom Friedrich-Bödecker-Kreis, der sich landesweit für die Leseförderung engagiert.

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