"Große Tradition geht zu Ende"

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 Zur Auflösung des Marpinger Sängerchores wurde die Fahne an die Stiftung Kulturbesitz Marpingen übergeben. Foto: Bonenberger & Klos

Zur Auflösung des Marpinger Sängerchores wurde die Fahne an die Stiftung Kulturbesitz Marpingen übergeben. Foto: Bonenberger & Klos

Marpingen. Der Abschied fiel schwer. Die letzten Lieder erklangen, ein paar Ansprachen wurden gehalten und Worte des Dankes an die Sänger und Dirigenten gerichtet. Noch einmal gab es ein Treffen der großen Vereinsfamilie im Saal Klos. Das war's dann, Schluss und aus - viele konnten es noch immer nicht fassen. Verstohlen wischte sich der eine oder andere Sänger an diesem Abend eine Träne aus dem Auge. Nach 128 Jahren gibt es den Marpinger Sängerchor, der 1883 gegründet worden ist, und das dazu gehörende Chorensemble nicht mehr. Nur noch 17 Stimmen blieben von den einst mehr als 60 übrig. Die Chöre waren überaltert. In den letzten Jahren wurden ständig Abgänge und so gut wie keine Zugänge verzeichnet. Den Sängerchor ereilte das Geschick vieler Chöre im Landkreis: Er musste mit dem Singen aufhören.

Erfolgreiche Chorchronik

Mit dem Lied "Heimat, ewig liebe Heimat" eröffnete der Sängerchor unter Leitung von Andreas Schäfer den Abschiedsabend. Vereinsvorsitzender Raimund Straß blickte in seiner Ansprache zum letzten Mal in die bunte und erfolgreiche Chorchronik. "Die Sänger haben im Dorf Geschichte geschrieben, hatten ein reiches Repertoire einstudiert und einen ausgezeichneten Ruf. Aber der Chor kann nicht mehr weitergeführt werden", sagte Straß. Seinen Schlusssatz aus dem Goethe-Gedicht "Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt - es war doch so schön" setzte der Sängerchor anschließend in Noten um und trug noch zwei Lieder aus dem früheren Liedvorrat vor.

Der Marpinger Ortsvorsteher German Eckert (SPD) ließ seine Sorge um die Existenz der Vereine im allgemeinen durchblicken. "Was geschieht mit unserer Kultur, wenn sich immer davon mehr abmelden?", fragte er in die Runde. "Ich kann verstehen, dass euch dieser Schritt nicht leichtgefallen ist, aber einfach unumgänglich war", sagte er, an die Sänger gewandt. Landrat Udo Recktenwald (CDU) habe, wie er versicherte, neben einem weinenden trotzdem auch ein lachendes Auge: "Wenn man später die Chorstimmen auf den CD's, den Musikkassetten und Schallplatten hört, bleibt wenigstens eine schöne Erinnerung." Optimistisch fügte er hinzu: "Ich bin überzeugt, dass irgendwann auch wieder neue Chöre entstehen werden." Das Chorensemble unter Oswald Schu verabschiedete sich mit drei Liedern, darunter "O, wie schön ist deine Welt" und "Am Brunnen vor dem Tore". Der Sänger Hermann Urhahn ließ in großen Schritten die Geschichte des Ensembles passieren und sprach dabei von vielen erfolgreichen Auftritten.

Ehrenplatz für Fahne

Abschieds- und Dankesworte richtete Vorsitzender Straß an die Chorleiter Andreas Schäfer und Oswald Schu. Schäfer war 23 Jahre lang Dirigent und leitete über 1000 Proben und mehrere Hundert Auftritte. Nicht vergessen wurde auch die Vereinswirtin Elisabeth Geiger, die einen Blumenstrauß erhielt. "Eine große Tradition geht heute zu Ende", bedauerte Marpingens Bürgermeister Werner Laub (SPD), der gleichzeitig Vorsitzender des Vereins Marpinger Kulturbesitz ist. Raimund Straß überreichte ihm die Vereinsfahne aus dem Jahre 1893, die 1953 restauriert worden ist, außerdem die Ehrenschärpe des Patenvereins, des Sängerchores 1875 Theley, die Gedenktafel der im Ersten Weltkrieg gefallenen Chormitglieder und die Vereinsbücher. Werner Laub versicherte, dass die Fahne in der Alten Mühle einen Ehrenplatz erhalten werde. An die Besucher verschenkt wurden Schallplatten mit Aufnahmen des Chores zum 100-jährigen Jubiläum, außerdem Musikkassetten und CD's mit weltlichen und geistlichen Liedern.

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