Klimademo in Saarbrücken 10 000 Saarländer demonstrieren fürs Klima

Saarbrücken · Am „Fridays for Future“-Protestzug durch Saarbrücken nehmen wesentlich mehr Menschen teil, als die Organisatoren erwartet hatten.

Klimastreik im Saarland: Fotos von der Klimademo in Saarbrücken
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Klimademo in Saarbrücken

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Foto: BeckerBredel

So kurz vorm Start gibt es noch einige praktische Details zu klären. Julius Auer, 16, gibt den Ordnern, die vom Alter her seine Eltern oder sogar seine Großeltern sein könnten, die letzten Anweisungen. Er wirkt aufgeregt, doch jede Minute wird sein Lächeln breiter. Eine halbe Stunde vor offiziellem Beginn der Kundgebung ahnt er bereits: Das Ziel wird erreicht. Dutzende ältere Menschen sitzen derweil auf den Bänken rund um den Saarbrücker Landwehrplatz. Das Wetter ist herrlich. Kinder vertreiben sich die Zeit und malen Insekten und Blumen mit Kreide auf den Boden. Und aus jeder Saarbahn, die anhält, steigen immer mehr Mitstreiter aus. Sie tragen Transparente, selbst gebastelte Plakate, T-Shirts mit provokanten Sprüchen und grüne Armbändchen. Sie sind alleine gekommen, mit Freunden oder mit der ganzen Familie inklusive Babys im Tragetuch. Eins haben sie alle gemeinsam: Sie wollen heute ihre Stimme fürs Klima erheben.

Zur Demonstration aufgerufen hat die Jugendbewegung „Fridays for Future Saarland“, zu der Julius Auer und rund 40 junge aktive Mitglieder gehören. Indem sie diesmal die Kundgebung am Nachmittag ansetzten, wollten sie dem Vorwurf entgegentreten, es gehe Ihnen nur ums Schwänzen des Unterrichts. Gleichzeitig wollten sie mehr Leute als nur ihre Mitschüler ansprechen und für ihr Anliegen mobilisieren. Wie den 35-jährigen Thomas aus Saarbrücken, der mit seiner zweijährigen Tochter im Kinderwagen mitläuft. „Diese Uhrzeit ist günstig, ich hatte schon Feierabend. Sonst hätte ich nicht mitmachen können. Dabei ist es wichtig, dass auch Erwachsene mitziehen, dass wir die Jugendlichen nicht alleine kämpfen lassen“, meint er.

 Unter dem Motto „Alle für das Klima“ trafen sich 10 000 Menschen zur Demonstration am Saarbrücker Landwehrplatz.

Unter dem Motto „Alle für das Klima“ trafen sich 10 000 Menschen zur Demonstration am Saarbrücker Landwehrplatz.

Foto: BeckerBredel

Den Kampf um mehr Umweltschutz führen Schüler seit Monaten. Immer wieder freitags. In der ganzen Welt und auch im Saarland. Der 15-jährige Julian Kahlen, der in Völklingen zur Schule geht, war öfter dabei. Diesmal sind aber auch seine Eltern irgendwo in der Menschenmenge. „Heute sind aber so viele Leute da, das ist unglaublich. Das sollte für die Politik ein ernstes Zeichen sein“, sagt er. Auch seine Mitschülerin Lili Szabowski, 16, ist der Meinung, dass die Massen an Teilnehmern deutschlandweit nicht ignoriert werden können: „In einer Demokratie müsste dies der Fall sein, man muss uns ernst nehmen.“ Worum es den Demonstranten geht, steht auf den Plakaten, die sie in die Luft halten, und wird am Kopf des Protestzugs über Mikrofon verkündet. Für die passende Lautstärke sorgen große Lautsprecher, die auf einem Anhänger vorne von Freiwilligen gezogen werden. Die Klimademo soll kein CO2 produzieren, alles andere wäre ja kontraproduktiv.

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Die Forderungen sind seit Anfang der Bewegung vor Monaten gleich geblieben: Kohlestopp, mehr Erneuerbare Energien, besserer ÖPNV, Verbot von Inlandsflügen und Plastikverpackungen. Doch über die Umweltziele hinaus geht es vielen Teilnehmern auch um Frieden, um Solidarität, um Gerechtigkeit.

Insgesamt ist die Stimmung im Demonstrationszug, der durch die Saarbrücker Innenstadt zieht, gelassen. Die Menschen sind gut gelaunt, sie freuen sich, dass so viele Mitstreiter gekommen sind. Der Verkehr ist lahmgelegt, die Autofahrer warten geduldig und ohne zu hupen, bis die Demonstranten weitergezogen sind. Am Straßenrand gibt es wohlwollende Blicke und ein paar Daumen hoch. Als die ersten Demonstranten am Rathaus ankommen und bekannt wird, dass sich der Zug bis zur Höhe des Staatstheaters erstreckt, ernten die Organisatoren kräftig Applaus. Dann legen sich alle auf der Straße. Das sogenannte „Die-in“ soll daran erinnern, dass alle sterben werden, sollte der Klimawandel nicht aufgehalten werden und der Planet weiter zerstört.

Darum sind auch Ute Anders und ihr Mann heute da. „Wir haben sieben Enkelkinder. Es ist unsere Pflicht zu demonstrieren, damit unser Planet für die künftigen Generationen erhalten bleibt“, sagt die Saarbrückerin. Es sei erfreulich, so viele Familien unter den Demonstranten zu sehen. Früher sei sie gegen Atomwaffen auf die Straße gegangen, heute für das Klima. „In ganz Deutschland, in der ganzen Welt sind heute Millionen Menschen unterwegs. Das macht Mut“, freut sie sich. Auch Rune Becker von „Parents for Future“ blickt mit zufriedener Miene auf der Kundgebung. „Es ist schön zu sehen, dass sich immer mehr Erwachsene auch mit der Thematik auseinandersetzen. Denn wir sind die Steuerzahler und die Wähler. Heute zeigen wir den Politikern klar, was wir wollen und sie umsetzen müssen. Überhaupt, es sind viel mehr gekommen als erwartet“, sagt Becker.

 Viele Familien waren unter den Teilnehmern des Klimastreiks in der Landeshauptstadt.

Viele Familien waren unter den Teilnehmern des Klimastreiks in der Landeshauptstadt.

Foto: BeckerBredel

Und er sollte Recht behalten. Angemeldet waren 3000 Teilnehmer. Doch heute sind es 10 000 Menschen, die Seite an Seite auf der Straße für ihre Überzeugungen demonstrieren. Entschlossen, aber friedlich. Zwischenfälle habe es keine gegeben, berichtet Bertram Stoll, Einsatzleiter der Polizei. „Die Veranstaltung ist reibungslos abgelaufen. Aufgrund der Größe des Demonstrationszuges kam es zu Verkehrsbeeinträchtigungen und sogar Rückstau an der Autobahn, aber es gab keine Unfälle“, zieht er Bilanz.

Über die Dudweiler Straße und durch das Nauwieser Viertel geht es zurück zum Landwehrplatz, wo es nochmal Anerkennung für die Jugendlichen, die Antreiber der der Bewegung gibt. „Schwänzen kann jeder, aber ihr habt heute außerhalb der Schulzeit bewiesen, dass es euch ernst ist, dass es um etwas großes geht“, lobt eine Rednerin auf der Bühne. Julius Auer nickt mit dem Kopf. Er freut sich. „Es ist heute stark. Alle Erwartungen wurden übertroffen. Es ist einfach mega.“ Ganz klar, der Klimastreik in Saarbrücken war ein Erfolg.

Auer zeigt sich dennoch bodenständig. Er weiß, dass sich nicht alles von heute auf morgen ändern wird: „Um das zu bewirken, was wir wollen, werden wir dran bleiben müssen“, macht er sich und seinen Mitstreitern Mut. Und sein Lächeln ist noch breiter geworden als vor zwei Stunden.

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