Neuer Saar-Krimi Schockierender Saarland-Krimi: Ein Mann füttert Frauen zu Tode

Saarbrücken/Perl · Schwarz und schön schauerlich ist Greta R. Kuhns Krimidebüt „Saarperlen“: Ausgerechnet im idyllischen Perl mästet ein Mann schöne Frauen und bringt sie um.

 Cover Saarperlen

Cover Saarperlen

Foto: Gmeiner verlag

Abgrundtiefer Zynismus oder bloß ein perfides Späßchen? Was auch immer man beim Titel „Saarperlen“ erwarten mag: Es kommt einem erstmal Angenehmes in den Sinn. Kenner haben vielleicht gar die feine Süße einer Pralinenspezialität aus einer Saarbrücker Traditionskonfiserie auf der Zunge. Süß aber ist auf diesen gut 300 Seiten gar nichts, dieses Krimidebüt konterkariert mit Wucht alle Erwartungen.

Schon mit Tod Nummer 1 hat die aus Saarbrücken stammende Autorin Greta R. Kuhn denn gute Chancen, sich in die Top 100 der grausigsten Roman-Präludien einzutragen. Ein Mensch gerät in die Häckselmesser eines Mähdreschers. Bei vollem Bewusstsein, wie der Pathologe Thiel (eine hübsche Überkreuz-Anspielung auf den Münsteraner „Tatort“) später feststellen muss. Dabei zweifelt Thiel erstmal am Obduktionstisch: War es tatsächlich bloß ein Mensch, über den derart bestialisch der Tod im Perler Maisfeld kam? So viel Körpermasse und Fett sammeln die Spurensicherer ein. Es muss eine Person von kolossalem Leibesumfang gewesen sein. Fettsüchtig. 170, 180 Kilogramm schwer und mit völlig bleicher Haut. Eine junge Frau, ergeben die Untersuchungen, die in ihren letzten Lebensmonaten wohl nie das Tageslicht sah. Dazu diese irritierenden Verletzungen im Rachen – als habe ihr jemand einen Trichter in den Schlund gesteckt, sie gestopft wie die sprichwörtliche Weihnachtsgans.

Für Hauptkommissarin Veronika Hart wird das der erste große Fall beim LKA Saarbrücken. Aus Frankfurt ist die 36-Jährige frisch ins Saarland gekommen. Hier muss sie sich nun behaupten. Gegen einen älteren Kollegen, der auf ihre Stelle spekulierte. Gegen einen Vorgesetzten, der bei diesen Ermittlungen, die rasch zum Medienereignis anschwellen, den Druck einfach durchreicht. Dazu fremdelt sie mit den Saarländern, tut sich schwer, ihr Team auf Kurs zu bringen. Und ihr Privatleben köchelt auf Dauersparflamme, von ein paar Abenden mit Freundinnen abgesehen, die sie noch dazu ständig verkuppeln wollen. Öfters muss Veronika da in ihrer Badewanne abtauchen, wie ein Baby, das sich im warmen Wasser der Geborgenheit des Mutterleibs erinnert.

Der Kommissarin aber bleibt keine Zeit, sich zu sammeln. Schon zwingt der nächste Fund sie wieder ins eigentlich doch so idyllische Perl zu fahren. Im runtergebrannten Holzstapel eines Osterfeuers hat man die Überreste einer weiteren Leiche entdeckt. Wieder eine krankhaft dicke junge Frau.

Der Verdacht erhärtet sich: Hier mästet jemand systematisch junge Frauen. Ein Feeder wohl, wie man diese sexuelle Spielart des Fütterns nennt. Hier allerdings völlig pervertiert. Denn er zwingt seinen Opfern, die, so ergeben die Ermittlungen, alle als Model gearbeitet haben, nicht nur hochkalorische Nahrung auf. Er will ihnen, indem er sie in einem Kellerverlies zu unförmigen Wesen heranzüchtet, auch ihre Schönheit nehmen, ihre Würde und ihren Lebenswillen. Sie durch die monatelange Gefangenschaft für die Welt außerhalb des Horrorkellers auch regelrecht vergessen machen. Ihren Tod sehnen die Frauen, die der Fütterer auch zu Namenlosen gemacht hat, da er ihnen mit glühendem Eisen A, B oder C eingebrannt hat, schließlich als Erlösung herbei.

Bislang war Greta R. Kuhn ein unbeschriebenes Blatt als Autorin. In Saarbrücken geboren, hat sie Interkulturelle Kommunikation und spanische Literatur studiert. Mittlerweile lebt sie an der Deutschen Weinstraße, verdient mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ihr Geld. Ihr Krimi-Debüt nun ist tatsächlich ein Wurf, so virtuos wie sie Täter- und Opferperspektiven verschränkt, die Deformation der jungen Frauen äußerlich wie innerlich beschreibt: Je wuchtiger ihre Körper werden, desto mehr zerquetscht die Masse ihre Seele.

Mittlerweile ist es in Krimis fragwürdige Mode geworden, Verbrechen ins Monströse zu treiben, noch blutiger, noch brutaler zu morden. Kuhns Band folgt aber, auch wenn die Autorin hart an der Ekelgrenze manövriert, einer tieferen Logik. Warum hier jemand sich so bestialisch an diesen schönen jungen Frauen rächt, ihre Anmut in kolossaler Hässlichkeit auslöscht, klärt der Roman schließlich. Zwar bleibt dieser Saarland-Krimi in der Struktur meist konventionell, und die Kommissarin als Ermittlerin etwas blass; auch Veronika Harts Persönlichkeit wird eben von dieser enormen Geschichte fast erdrückt. Doch, wer den Fehler macht „Saarperlen“ als Nachtlektüre zu wählen, kann sich böser Träume sicher sein. Ein Debüt also, das mit Hochspannung packt – und erkennbar auf Fortsetzung aus ist. Und diese Erwartung, die ist dann doch sehr angenehm.

  Der Saarbrückerin Greta R. Kuhn ist mit „Saarperlen“ ein starkes Krimidebüt geglückt.

Der Saarbrückerin Greta R. Kuhn ist mit „Saarperlen“ ein starkes Krimidebüt geglückt.

Foto: Michael Kleinespel

Greta R. Kuhn: „Saarperlen“, Gmeiner Verlag, 312 Seiten, 14 Euro.

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