Gesetz für schnelle Arzttermine Golfplatz statt Praxis? Ärzte beklagen Zerrbild

Saarbrücken · Damit gesetzlich Versicherte schneller einen Termin bekommen, fordern Kassen und Politik mehr Sprechstunden. Die Diskussion ist schwierig.

(Symbolbild)

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Foto: dpa/Erik S. Lesser

Viele niedergelassenen Ärzte, diesen Eindruck kann man gewinnen, würden sich derzeit statt des weißen Kittels lieber eine gelbe Weste umhängen. Jedenfalls ist die Wut unter ihnen so groß, dass sie überlegten, den Neujahrsempfang von Kassenärzten und Ärztekammer abzusagen und die Praxen zeitweise zuzusperren.

Die Aufregung hat einen Grund, und wie so oft, wenn bei Ärzten der Blutdruck steigt, spielt dabei der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach eine tragende Rolle. Damit gesetzlich Versicherte schneller einen Arzttermin bekommen, will die Bundesregierung niedergelassene Ärzte verpflichten, pro Woche mindestens 25 statt 20 Sprechstunden anzubieten. Lauterbach hatte dies kürzlich mit einem aus Sicht der Ärzte ungeheuerlichen Satz garniert: „Der ein oder andere Arzt wird ab Mittwochnachmittag auf dem Golfplatz gesehen.“ Der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen forderte Sprechstunden auch abends und an Samstagen und stellte fest, Krankheiten richteten sich nun einmal nicht „nach den Lieblingsöffnungszeiten“ der Arztpraxen.

Ärztekammer-Präsident Dr. Josef Mischo, eigentlich ein Mann der leisen Töne, machte daraufhin aus seinem Befremden keinen Hehl: Er frage sich, sagte er dieser Tage, ob der Vorstoß „Unverschämtheit oder Inkompetenz“ sei. Der Saarbrücker Kardiologe Dr. Dirk Jesinghaus, Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärzte, spricht von „böser Stimmungsmache“. Die Äußerungen hätten den Eindruck erweckt, dass Patienten deshalb lange auf einen Termin beim Facharzt warten müssten, weil Ärzte keine Lust zu arbeiten hätten und lieber auf dem Golfplatz seien. Das stimme nicht. „Die meisten Ärzte sitzen mittwochs nachmittags in der Praxis und machen ihre dämliche Bürokratie.“ Ärzte arbeiteten im Schnitt 52 Stunden pro Woche.

Das eigentliche Problem liegt nach Jesinghaus’ Ansicht nicht in zu wenigen Sprechstunden, sondern in zu wenigen Ärzten: „Wir sind nicht die Allerjüngsten in der Medizin. Was uns fehlt, ist der Nachwuchs. Den motivieren wir bestimmt nicht mit Gängelei.“ Ärztekammer-Chef Mischo rief beim Neujahrsempfang den CDU-Politikern einen 40 Jahre alten Parteibeschluss in Erinnerung, der sich gegen zu viel Reglementierung der Medizin wendet. Ärztefunktionäre berichten, die CDU habe die längeren Sprechzeiten geschluckt, weil die SPD im Gegenzug nicht auf der Einführung der „Bürgerversicherung“ beharrt habe.

Die Kassen sind schon lange für längere Sprechzeiten. Eine 2018 von ihnen im Auftrag gegebene Forsa-Umfrage unter niedergelassenen Haus- und Fachärzten ergab, dass diese im Schnitt 29 Stunden pro Woche Sprechzeit anbieten – mehr als die vorgeschriebenen 20. Wo also liegt das Problem? Die Kassen argumentieren, dass die Umfrage eben auch ergeben habe, dass acht Prozent der Praxen unter der 20-Stunden-Marke sind. Ein weiteres Ergebnis: Mittwoch- und Freitagnachmittags habe nur jede fünfte Praxis geöffnet, nach 19 Uhr nur jede zehnte. Da sei es nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen in die Notaufnahmen gingen.

Einen ersten Erfolg verzeichneten die Ärzte beim Neujahrsempfang, denn Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) zeigte Verständnis für das Anliegen der Mediziner: Die Macher des Gesetzes hätten „offensichtlich andere Regionen im Auge gehabt“, denn im Saarland sei die Versorgung so gut, dass man die Regelungen nicht brauche. Deswegen werde die Landesregierung im Bundesrat und gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium „auf Ihre Kritik eingehen und dem gerecht werden“.

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