„Glück auf“ mit Gänsehautfaktor

Saarbrücken/St Ingbert · „Erzählungen vom Mittelpunkt der Erde“ sind am Montag wieder in der Industriekathedrale Alte Schmelz in St. Ingbert zu sehen. Der Ort rückt sie näher ans Thema Industriekultur heran.

 Percussion under Construction und Bergkapelle St. Ingbert in der Industriekathedrale.Foto: Jörg Martin

Percussion under Construction und Bergkapelle St. Ingbert in der Industriekathedrale.Foto: Jörg Martin

Foto: Jörg Martin

"Erzählungen vom Mittelpunkt der Erde", das szenisch-musikalische Denkmal zum Ende des Kohlebergbaus im Saarland, feierte 2012 im Saarländischen Staatstheater (SST) große Erfolge: immer ausverkauft. Für 2013 kam es daher zweimal zusätzlich auf den Spielplan "außer Haus". Karten gibt es nur noch für die letzte Aufführung am Montag, 24. Juni. Der Ort: die "Industriekathedrale Alte Schmelz" in St. Ingbert.

Dort, im alten Gemäuer, fern der Bühnentechnik des "Großen Hauses", rückt auch eine Produktion wie die "Tales" noch näher an das Thema Industriekultur heran. Gleich zu Anfang werden einschlägige Bilder und Videos nicht auf Leinwand, sondern auf die verwitterte Stirnseite der alten Industriehalle projiziert. Mal glimmt es, mal erscheint Gestein auf der steinernen Projektionsfläche, dazwischen Porträts von Arbeitern. Dazu dröhnt und hämmert es, weckt Werkzeug-Assoziationen, "Unter- Tage-Gefühl" breitet sich aus. Unerwartet öffnet sich mitten in der Projektionsfläche ein reales Tor nach draußen: Hier wirkt Realität geradezu irreal. Abendsonne blendet herein, im Gegenlicht marschiert - "Der Steiger kommt!" - die Bergkapelle St. Ingbert. Nebel steigt von der Fabrikboden-Bühne auf, verschärft die Silhouetten. "Glück auf!" mit Gänsehaut-Faktor. Der wird auch im Anschluss mühelos gehalten, wenn die Schlagwerker des SST-Ensembles "Percussion under Construction" mit Keyboarder Sebastian Voltz wildere Wirbel und leichtere Rhythmen nahtlos mit der klassisch begonnen "Blasmusik" der Bergkapelle verschmelzen. Darüber blitzt ab und an eine Disco-Kugel - in der hohen Produktionshalle etwas verloren und schön ironisch.

Dann vergisst man fast den doch sehr speziellen Ort, so exquisit und packend ist die Reise durch die Welt des Schlagzeugs und seiner Wahlverwandtschaften, begleitet von sparsamem, dabei eindrücklichem Szenenbild. Klassische und zeitgenössische Kompositionen, rasante Power auf Holzbalken und Bremsklötzen, Synthesizer-Anklänge an Minimal Music. Letztere seien "für manche vielleicht gewöhnungsbedürftig", hatte Dirigent Matthias Weißenauer vorsichtig formuliert. Allerdings finde er, dass die Musik doch "gut fürs Ohr" sei. Wohl wahr und mehr als das. Unmöglich, alle Solisten und Interpreten hier einzeln zu würdigen, faszinierend auch ihre auf das Feinste abgestimmte musikalische Kommunikation. Hochachtung dafür gilt Weißenauer auch als Dirigent in einem recht verwinkelten Bühnenbereich.

Seit über zehn Jahren ist Matthias Weißenauer Leiter des SST-Schlagzeug-Ensembles, seit 1998 Leiter der Bergkapelle St. Ingbert e.V. 1839. Die "Blaskapelle" ist schlichtweg auch ein hervorragendes Orchester. Gerade hat sie zwei Tourneen hinter sich gebracht mit sechs Stationen zwischen München und Berlin.

Großer Beifall und Jubelrufe zogen sich beim ersten der zwei St. Ingberter "Heimspiele" durchs Programm. Verdientes Bravo auch für die 25 Kinder und Jugendlichen ab elf Jahre aufwärts; sie bestätigten mit einem "Spaten-Konzert", dass die SST-Schlagzeuger und die Bergkapelle auch nachwachsende Begabungen zu fördern wissen.

Termin: Montag., 24. Juni, 19.30 Uhr, Industriekathedrale Alte Schmelz, Saarbrücker Straße 38, St. Ingbert, kostenfreier Bustransfer ab Saarbrücken, Staatstheater. Vorverkauf: Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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