Giftschaum bringt Gegner vor Gericht
St. Wendel. Seit mehr als zwei Jahren kämpfen die Mitglieder des Angelsportvereins (ASV) Laubenfischer um Wiedergutmachung. Sie fühlen sich von der Stadt St. Wendel im Stich gelassen. Denn nach dem Großbrand an Christi Himmelfahrt 2007 im Industriegebiet West ist die einstige Idylle am vereinseigenen Angelweiher Wut und Ohnmacht gewichen
St. Wendel. Seit mehr als zwei Jahren kämpfen die Mitglieder des Angelsportvereins (ASV) Laubenfischer um Wiedergutmachung. Sie fühlen sich von der Stadt St. Wendel im Stich gelassen. Denn nach dem Großbrand an Christi Himmelfahrt 2007 im Industriegebiet West ist die einstige Idylle am vereinseigenen Angelweiher Wut und Ohnmacht gewichen. Gefährliche Gifte des Löschschaums, so genannte PFT, waren in die Weiher gespült worden. Seitdem ist es den Sportanglern untersagt, nach den verseuchten Tieren zu angeln. "Zentnerweise sind Fische schon auf dem Sondermüll gelandet", berichtet Karl-Heinz Hoymann. Der Vizechef des Angelsportvereins (ASV) Laubenfischer fühlt sich wie seine Kollegen von der Stadt allein gelassen. Der 67-Jährige: Wir warten bis heute auf Schadenersatz." Doch bislang vergebens. Darum schaltete der Verein den Ottweiler Anwalt Jürgen Sittenauer ein, der Klage beim Saarbrücker Landgericht einreichte. "Es geht um 63 000 Euro Streitwert", sagt er. Zum einen setze sich der Betrag aus dem einstigen Wert des vereinseigenen Weihers samt Grundstück zusammen, die "seit dem Löscheinsatz unbrauchbar sind", zum anderen aus dem des vernichteten Fischbestands.Doch was hat die Stadtverwaltung mit dem Großbrand zu tun? Sittenauer: "Die Stadt ist als Ordnungsbehörde für die Feuerwehr verantwortlich" - somit auch für den Einsatz beim Großbrand vor über zwei Jahren und den dadurch entstandenen Schaden. Der stellvertretende Vereinsvorsitzende: "Wir hatten die Stadt um einen Geländetausch gebeten. Vergebens." Anwalt Sittenauer bestätigt: "Die Verwaltung ging auf unseren Vorschlag nicht ein." So sei es zur Gerichtsklage gekommen. Ein aktueller Verhandlungstermin stehe noch aus. Unterdessen sei die Existenz des Vereins bedroht. Hoymann: "Wir können nur noch bei befreundeten Vereinen angeln, zum Beispiel in Freisen oder Bliesen." Und das gehe nur nach vorheriger Absprache. "Sich spontan an den Weiher setzen ist nicht mehr drin." Mittlerweile habe der Verein auch nur noch 16 Mitglieder. Hoymann: "Die Jugendgruppe ist ganz im Eimer."Unterdessen sieht die Prognose, ob und wann der Weiher des Vereins wieder giftfrei ist, schlecht aus. Holger Zeck vom Saar-Umweltministerium in Saarbrücken: "Es ist nicht absehbar, wann die Belastung unter den Grenzwerten liegen wird." Bei der Blies habe es über zwei Jahre gedauert. Aber bei einem Weiher sei der Wasseraustausch viel geringer und dauere entsprechend lang. Vereinschef Hoymann geht davon aus, dass der Weiher nie wieder zu gerbauchen sein wird. Stadt-Pressesprecher Thomas Wüst bestätigt, dass es sich um "eine klassische Schadenersatzklage" handelt. Allerdings widerspricht er der Darstellung des Anwalts: Es sei sehr wohl versucht worden, das Verfahren durch eine "Ersatzmöglichkeit" für das verseuchte Gelände zu verhindern. "Es wurde aber kein geeignetes gefunden." Ab dann verweist Wüst auf das "schwebende Verfahren", das ihm weitere Detailinformationen zum jetzigen Zeitpunkt verbiete. Übrigens: Der ASV Oberlinxweiler 1978 ist nach eigenen Angaben ebenfalls vom Brandunglück betroffen. Ihm gehört einer der beiden verseuchten Weiher. Eine riesige Schaumlawine war damals bis aufs Vereinsgelände vorgedrungen. ASV-Chef Günter Marx (58): "2008 haben wir 150 Forellen eingesetzt. Als wir jetzt abfischen wollten, war kein einziger Fisch mehr da." Gespräche mit Behördenvertretern hätten keine gütliche Lösung gebracht. Jetzt beschreiteten auch die verbliebenen 14 Vereinsmitglieder den Klageweg. Ihnen geht es in einem ersten Schritt um rund 16 000 Euro für die verloren gegangene Fischzucht. Damit beauftragt ist der Neunkircher Rechtsanwalt Christian Halm. Anke Dörr, Mitarbeiterin der Kreis-Pressestelle, bestätigt "anwaltliche Schreiben, in denen der Klageweg angedroht wird". Laut Haus-Jurist sei das Verfahren noch nicht eröffnet. "Ob der Weiher je wieder zu gebrauchen ist, wissen wir nicht." Dabei habe der ASV ab 1999 rund 40 000 Mark (rund 20 000 Euro) in die Sanierung investiert, berichtet Marx. "Zentnerweise sind Fische schon auf dem Sondermüll gelandet."Karl-Heinz Hoymann, stellvertretender Vorsitzender des ASV Laubenfischer
intergrundEin Feuerwehrmann (26) hatte in der Nacht zum 27. Mai 2007 ein Feuer im St. Wendeler Industriegebiet West gelegt. Dadurch verbrannten rund 600 Tonnen Plastikmüll. Und nicht nur das: Auch ein benachbartes Gebäude brannte, als die Flammen übergegriffen hatten. Die Feuerwehr setzte unter anderem Löschschaum ein, der giftige Stoffe enthielt. Mit Wasser allein konnten die Einsatzkräfte den Brand nicht bezwingen. Die giftigen Stoffe wurden unter anderem in die angrenzende Blies geschwemmt und erreichten auch die nahe gelegenen Angelweiher. Während das saarländische Umweltministerium jetzt nach über zwei Jahren für den Fischverzehr aus dem Fluss Entwarnung gab (wir berichteten), dürfen Tiere aus den Weihern noch immer nicht auf dem Teller landen. Zu hoch sei demnach auf unabsehbare Zeit noch die Belastung mit gefährlichen Stoffen.Übrigens: Der Brandstifter war Ende November 2007 zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Die Richter am Saarbrücker Landgericht erklärten ihn damals wegen fahrlässiger Brandstiftung für schuldig. Der Mann hatte zuvor seine Tat damit begründet, dass er sich über den Dreck geärgert habe. Das Feuer im angrenzenen Gebäude habe er aber nicht gewollt. Er war es auch, der seine Kollegen alarmierte. hgnStichwortPFT (Perfluorierte Tenside): synthetisch hergestellte, langlebige organische Chemikalien. PFT sind schmutz-, farb-, fett-, öl- und wasserabweisend. Seit Ende 2006 wird der Einsatz in Europa beschränkt, weil Gesundheitsrisikien (beispielsweise Krebs) wissenschaftlich nachgewiesen wurden. Ein Einsatzgebiet ist in Feuerlöschschaum. Für diese gelten Übergangsfristen. Die vorhandenen Bestände dürfen noch bis 21. Juni 2011 verwendet werden. (Quelle: NRW)hgn