Gewerkschaft: Arbeitsbedingungen in Pflegeheimen "unerträglich"

Saarbrücken. Eklatanter Personalmangel und Überlastung der Beschäftigten in den saarländischen Pflegeheimen erhöhen nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi die Gefahr von Pflegeskandalen wie jüngst in einem Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Elversberg

Saarbrücken. Eklatanter Personalmangel und Überlastung der Beschäftigten in den saarländischen Pflegeheimen erhöhen nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi die Gefahr von Pflegeskandalen wie jüngst in einem Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Elversberg. "Natürlich sind die hohen physischen wie psychischen Belastungen in der Pflege keine Rechtfertigung für Verbrechen", erklärte Verdi-Fachbereichsleiter Thomas Müller gestern nach einem Treffen mit Mitarbeitern des Awo-Heimes in Elversberg. "Aber die Situation begünstigt Fehlverhalten, Menschenmissachtung und Machtmissbrauch." Wer Pflegeskandale verhindern wolle, müsse am "Pflegenotstand" etwas ändern. In dem Awo-Heim in Elversberg sollen zwei Pfleger über Monate hinweg hilflose Senioren schikaniert, misshandelt und gedemütigt haben. Zwei Heimbewohner sollen deshalb möglicherweise vorzeitig gestorben sein.

Müller bezeichnete die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals als "unerträglich". In immer mehr Heimen sei es selbstverständlich, dass das Personal ohne Rücksicht auf Freizeit immer zur Verfügung stehen müsse. "Mir ist noch kein Altenheim zu Gesicht gekommen, wo ich nicht in den Dienstplänen Verletzungen des Arbeitszeitgesetzes gefunden habe", sagte Müller. "Das Arbeiten bis zum Umfallen ist Bedingung dafür, dass das ganze System funktioniert." Die Krankheitstage, vor allem ausgelöst durch die psychische Belastung, stiegen ins Unermessliche.

Die Einrichtung von Ombudsleuten dürfe nicht zum Alibi verkommen. Gerade im Saarland, das dem demografischen Wandel besonders ausgesetzt ist, wachse der Dienstleistungsbedarf im Bereich der Pflege und Gesundheit rapide. Schon heute gebe es zu wenig Fachkräfte. Dieses Problem werde sich in den kommenden Jahren verschärfen, wenn jetzt nicht gegensteuert werde.

Zu den Vorfällen in Elversberg erklärte Verdi-Mann Müller: "Mit Abscheu vernehmen wir Einzelheiten eines Machtmissbrauchs, ausgeübt von Pflegekräften, die offensichtlich ihre Überforderung durch verbrecherisches Handeln zu kompensieren versuchten." Diese Vorfälle müssten vollkommen und umfassend aufgeklärt werden. "Gleichzeitig sprechen wir jenen Kolleginnen und Kollegen bei der Awo in Elversberg unsere Anerkennung und Hochachtung aus, die nicht wegschaut haben und mutig mit hoher Moral den Skandal an die Öffentlichkeit gebracht haben. Ihnen gilt unser Respekt und unsere Hochachtung."

Bei einem Treffen in Saarbrücken will Gesundheitsminister Andreas Storm (CDU) heute mit Akteuren aus dem Pflegebereich über Konsequenzen aus den Vorfällen in Elversberg diskutieren. Teilnehmen werden Vertreter der saarländischen Pflegegesellschaft, des Pflegerates, des Sozialverbandes VdK, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und der Landkreise. kirFoto: Verdi

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