Geschichte in modernem Gewand

Blieskastel/Homburg

Blieskastel/Homburg. "Ein arrondiertes Gutsanwesen von zusammen mindestens 200 bis 300 Morgen Wald-, Wiesen- und Ackerland in der Nähe einer Stadt oder eines größeren Ortes mit Bahnstation", "gutes und sehr reichliches Trinkwasser (täglich etwa 300 Kubikmeter)" sowie die Möglichkeit, "die Gebrauchsabwässer in nahe gelegene Bach- und Flussläufe wegzuleiten", so lauteten die Bedingungen, die an die Errichtung der neuen "Kreisirrenanstalt mit Landwirtschaftsbetrieb" geknüpft waren. Die entsprechende Ausschreibung, die von der Kammer des Innern der königlich-bayerischen Regierung am 22. Dezember 1903 veröffentlicht worden war, stieß in der gesamten Pfalz und auch in der Region Homburg auf lebhaftes Interesse.

Insgesamt 32 Standorte bewarben sich um die Einrichtung, darunter der Breiterhof und der Höhhof bei Blieskastel-Lautzkirchen, der Glashütterhof bei Rohrbach, der Websweilerhof bei Jägersburg oder der Tascherhof in Bruchhof. Den Zuschlag erhielt letztlich der unter "Nr. 18 von der Gemeindeverwaltung Homburg empfohlene Komplex rechts der Kirrbergerstraße von der Rennbahn bis zum Webersberg". Diese Geburtsstunde der "pfälzischen Heil- und Pflegeanstalt", aus der erst das Landeskrankenhaus und wiederum später die Universitätskliniken des Saarlandes hervorgehen sollten, ist Thema in der neuen Ausgabe der "Saarpfalz". Dr. Wolfgang Müller, der Leiter des Saarbrücker Universitätsarchivs, lässt in den neuen "Blättern für Geschichte und Volkskunde" die Entwicklung der "Kreisirrenanstalt" von den Anfängen bis zur Umwandlung in ein Landeskrankenhaus im Herbst 1922 Revue passieren.

Im nagelneuen Layout kommt die regionalhistorische Zeitschrift in ihrer nunmehr 103. Ausgabe daher: 25 Jahre nach dem Erscheinen der Erstausgabe präsentieren sich die Seiten rundum neu gestaltet. Schriftleiter Dr. Bernhard Becker hatte anlässlich des 100. Jubiläumsheftes vor gut einem Dreivierteljahr das "neue Gesicht" angekündigt und Leser wie Abonnenten um Vorschläge gebeten, wie die "Saarpfalz" zu modernisieren ist. Nichts geändert hat sich freilich an den Inhalten, die nach wie vor ein breites Spektrum von regionalen Themen ansprechen. In der neuen Nummer beispielsweise widmet sich Gerd Imbsweiler dem heiklen Thema der "Euthanasie". Er beleuchtet am Beispiel des Limbacher Hilfsarbeiters Hugo Klein, wie die menschenverachtende Vernichtungsmaschinerie der Nazis funktionierte. 1913 geboren, wohnhaft in der Kaiserstraße und ehrenamtlich aktiv im Roten Kreuz, wurde Hugo Klein Anfang Juni 1939 in die Abteilung für Nervenkranke des Homburger Landeskrankenhauses überwiesen - sein Hausarzt hatte bei ihm "Psychose" diagnostiziert. Im November des darauf folgenden Jahres ereilte die Eltern in Limbach ganz formell die Mitteilung der Landes-Pflegeanstalt Brandenburg, dass ihr Sohn, "der erst vor kurzem in unsere Anstalt eingewiesen wurde, hier am 16. Oktober 1940, verstorben ist". Tatsächlich war Hugo Klein, wie viele hunderttausend weitere Menschen, in eigens eingerichteten Tötungsanstalten ermordet worden.

"Millersch Haus", die alte Zehntscheune von Wolfersheim, ist das ganz andere Thema von Ludwig Weber. Der Heimatforscher skizziert die über 400-jährige Geschichte des Anwesens, das sich heute - wie viele andere in dem Blieskasteler Stadtteil - schmuck renoviert präsentiert. Besonders aufschlussreich: Weber zitiert die Liste des Hausinventars, wie es sich 1774 darstellte. "Hänfene Leintücher und ein Strohsack" als Bettzeug gehörten ebenso dazu wie "1 braune Kuh, 3 Frischling, 1 Gans, 5 Hühner, 1 Hahn" als Viehbestand. In der Rubrik Bargeld vermeldet die Aufstellung indes lapidar: "Nichts". "Die Saarpfalz hat ein neues Gesicht bekommen."

Bernhard Becker

Hintergrund

Saarpfalz 4/2009: 64 Seiten, 16 Abbildungen, 3 Beiträge, eine Buchbesprechung, Kalendarium "historischer" Vorträge im ersten Quartal 2010. Schriftleiter: Kreisdenkmalpfleger Dr. Bernhard Becker unter Mitwirkung einer fünfköpfigen Fachredaktion. Bezug: Amt für Heimatpflege und Denkmalschutz des Saarpfalz-Kreises, Zimmer 417, Landratsamt Homburg, Tel. (06841) 104 417 oder über E-Mail:

marianne.hepp@saarpfalz-kreis.de sowie im Buchhandel und bei den Kultur- und Verkehrsämtern der Städte und Gemeinden. Preis: 3,25 Euro. bam

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