Gemessen an der Bevölkerungszahl . . .

Saarbrücken. Jeder größere deutsche Verlag hat in diesem Jahr "seine" Isländer im Programm. Als literarischer Überflieger stellt S. Fischer eine vierbändige Ausgabe von isländischen Sagas dem Publikum zur Verfügung. Aber das Land ist so reich an Autoren, dass auch für kleinere Verlage ansehnliche Brocken vom reich gedeckten Tisch der Insel-Literatur abfallen

Saarbrücken. Jeder größere deutsche Verlag hat in diesem Jahr "seine" Isländer im Programm. Als literarischer Überflieger stellt S. Fischer eine vierbändige Ausgabe von isländischen Sagas dem Publikum zur Verfügung. Aber das Land ist so reich an Autoren, dass auch für kleinere Verlage ansehnliche Brocken vom reich gedeckten Tisch der Insel-Literatur abfallen.Der Conte Verlag aus Saarbrücken hat zum Beispiel eine Sammlung von Geschichten des 1949 geborenen Thórarinn Eldjárn aufgelesen, der die Leser mit der "Zauberformel" vertraut macht, nach der die Isländer nahezu alle Rekorde der Welt brechen. Sie heißt: "gemessen an der Bevölkerungszahl". Der Autor gilt als Meister der isländischen Kurzgeschichte und misst so unterschiedliche Größen wie die Anzahl der Literatur-Nobelpreisträger (einer aus Island: 1955 Halldor Laxness, "Atomstation") oder der Großmeister im Schach "an der Bevölkerungszahl". Er rechnet hoch, wie viele Preisträger in jeder Kategorie etwa Großbritannien oder China haben müssten, um mit Island gleichzuziehen. Schon der Titel des Buches "Die glücklichste Nation unter der Sonne" müsste relativiert werden - nicht "gemessen an der Bevölkerungszahl", sondern "gemessen an der isländischen Sonnenscheindauer"!

Seine Geschichten strotzen vor Ironie, sie geizen nicht mit Witz und Einfällen, unterhalten geistreich und wohl auch landestypisch - wir werden es in diesem Jahr noch erleben. Damit das alles auch für deutsche Leser authentisch "rüberkommt" hat der Verlag diese skurrilen Geschichten von der ehemaligen Leiterin des Goethe-Instituts Reykjavik stimmungsmäßig echt übersetzen lassen. Das Ergebnis überzeugt. Die kleine Form ist ja gefährlich; denn man kann auch auf engem Raum schwätzen. Das tut Eldjárn auch, wenn er einen Einfall länger dehnt als man braucht, um ihn zu verstehen. Aber auch die Dehnung hat bei diesem Autor Sinn, wird zum Teil der formalen Bewältigung des ausgedachten Unsinns. Wenn er zum Beispiel in der "Taschenkrise" aus einem bei einem Schildermacher liegen gebliebenen Schild mit der Aufschrift "Hier werden keine Taschen repariert" zunächst eine Nachbarschaftskrise wachsen lässt und sich in kleinen Kurztexten von wenigen Zeilen bis zum nationalen Notstand und dem Eingreifen der Behörden steigert. Die übertreibende Dehnung (auf ganzen 13 Seiten) gibt dem kleinen Einfall doch eine isländische Großartigkeit.hal

Hal Thórarinn Eldjárn: Die glücklichste Nation unter der Sonne. Geschichten aus Island. Aus dem Isländischen von Coletta Bürling. Conte Verlag, 156 Seiten, 14,90 €

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