Gegen den Karussell-Trend

Burbach · Schneller, höher, lauter passte für das Schausteller-Ehepaar Zarnikau nicht ins Konzept. Auf der „Montgolfière“ können Fahrgäste jeden Alters den Blick über Saarbrücken schweifen lassen.

 Auf dem Maifest steht das Karussell der Familie Zarnikau. Hier fährt die Familie Kolepp mit Mama Jana, Papa Stefan, und den Kindern Dmitrij und Julia. Foto: Iris Maurer

Auf dem Maifest steht das Karussell der Familie Zarnikau. Hier fährt die Familie Kolepp mit Mama Jana, Papa Stefan, und den Kindern Dmitrij und Julia. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

"Eine neue Runde, eine neue Fahrt", schallt es aus den Lautsprechern. Karussell-Arme mit jungen Insassen schießen in die Höhe, Boxautos krachen aufeinander. So stellen sich viele eine Kirmes vor. Doch auf dem Saarbrücker Maifest an den Saarterrassen findet sich inmitten der Buden ein Fahrgeschäft, das etwas anders ist. Nachgebildete Mini-Heißluftballons mit Körben für die Passagiere, erheben sich und drehen sich gemächlich. Es ist ungewöhnlich ruhig während die Fahrgäste zu Instrumentalmusik ihre Blicke über Saarbrücken schweifen lassen.

Die Wirkung der "Montgolfière" war von den Fahrgeschäft-Betreibern Achim und Martina Zarnikau beabsichtigt. 2000 kauften sie das etwas andere Karussell. "Wir wollten alles anders machen. Wir wollten rückwärts gehen, gegen den Trend", sagt Achim Zarnikau. Auch ältere Kirmes-Besucher und auch geistig oder körperlich Beeinträchtigte sollten mitfahren können. "Wir haben nicht den olympischen Gedanken verfolgt, schneller, lauter und höher zu sein als alle anderen", sagt Achim Zarnikau. Seine Frau ergänzt: "Unsere Motivation war es, für Familien ein Fahrgeschäft anzubieten, bei dem alle etwas zusammen unternehmen können. Bei uns passen vier Generationen in einen Korb". Tiefe Sitze ermöglichen einen Sofa-Effekt und vermeiden Höhenangstgefühle. "Der Schwächste gibt vor wie lange die Fahrt dauert", sagt Martina Zarnikau, "Und wir nehmen uns Zeit, Besuchern mit körperlichen Beeinträchtigungen beim Einsteigen zu helfen". Ob 94-jähriger Senior oder einen Autisten, den sie bereits als Stammgast gewinnen konnten, das Schausteller-Paar hat es mit der "Montgolfière" geschafft, eine Nische auf Volksfesten zu füllen.

Auch die Gestaltung des Karussells ist ein wenig anders. Pastellfarbene Zeichnungen an der Vorderseite zeigen Szenen aus dem 18. Jahrhundert in Frankreich. Die große Rückwand hinter den Ballons imitiert den Blick von einer Schloss-Balustrade in Paris. Louis XIV. und Marie Antoinette stehen auf dem Balkon. Die Seine und die Notre-Dame fügen sich in das Panorama ein und zeigen Paris um 1780 - die Zeit, zu der die Brüder Montgolfier den Heißluftballon erfanden. Der Grund warum die Zarnikaus zum ersten Mal ihr Karussell in Saarbrücken aufgebaut haben: Der Liebe wegen sei ihre Tochter ins Saarland gezogen, erzählt Achim Zarnikau. Als Schausteller, die zehn Monate in einem Campinganhänger mit 18 Quadratmetern hausen und immer unterwegs sind, können sie hier zurzeit wenigstens einem Familienmitglied etwas näher sein.

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