"Gefahrgut, das in staatliche Hände gehört"Hallenbetreiber weisen Kritik zurück
Saarbrücken. 67, 76, 184, 190: Glückszahlen für den großen Gewinn? Nein. Hinter diesen Zahlen steckt dennoch Geld. Denn sie stehen in Saarbrücken und Neunkirchen für die 537 Spielautomaten der staatlichen Saarland-Spielbanken. Eine Zahl, die gewerbliche Spielhallenbetreiber, organisiert im Automaten-Verband Saar (AVS), mächtig stört
Saarbrücken. 67, 76, 184, 190: Glückszahlen für den großen Gewinn? Nein. Hinter diesen Zahlen steckt dennoch Geld. Denn sie stehen in Saarbrücken und Neunkirchen für die 537 Spielautomaten der staatlichen Saarland-Spielbanken. Eine Zahl, die gewerbliche Spielhallenbetreiber, organisiert im Automaten-Verband Saar (AVS), mächtig stört. Vor allem, seit die Diskussion über die Zahl der Spielhallenstandorte entbrannt ist. Der staatliche Anbieter betreibe doch in Saarbrücken und Neunkirchen Spielbanken, die zu den größten in ganz Deutschland zählen, gibt der AVS-Vorsitzende Christian Antz zu bedenken. Außerdem gebe es dort, anders als in Spielhallen, Alkohol.Michael Burkert, einer der beiden Geschäftsführer der Saarland-Spielbanken, machte beim Besuch der SZ-Redaktion gar kein Hehl aus Größe und Zweck des großen Glücksmaschinenparks, den sein Unternehmen betreibt. "Es geht darum, die Steuereinnahmen des Landes zu erhöhen und den bei uns starken französischen Markt zu bedienen."
Wobei Spiel-Klassiker wie Roulette längst nicht mehr die großen Einnahmen brächten. "Da verdienen wir kein Geld mehr. 70 bis 80 Prozent kommen aus den Automaten." Das seien Einnahmen, von denen auch die Allgemeinheit - von der Kultur- bis zur Spitzensportförderung - profitiere.
14 Millionen Euro fließen Burkert zufolge aus seinem Unternehmen in die Landeskasse, 13,2 Millionen in den Haushalt der Stadt Saarbrücken. "Und wir finanzieren das Beratungssystem für Spielsüchtige mit."
Auch sieht er kein Problem darin, dass es in den Spielbanken Alkohol gibt. "Das ist für Spieler kein Thema." Auch nicht für die neue, automatenorientierte Klientel, die ganz anders mit dem Vergnügen in den Casinos umgehe.
"Zählen Sie also zu den Guten und die anderen zu den Bösen. Und die Guten werden von Ihnen vertreten?", fragte Redaktionsleiterin Ilka Desgranges den Gast. Der sieht die Rolle seines Unternehmens so: "Wir haben den Auftrag, das Glücksspiel zu kanalisieren, denn verbieten kann man es nicht." Trotz der Risiken, die damit verbunden seien. "Glücksspiel ist ein Gefahrgut, das in staatliche Hände gehört." Stattdessen hat der Bund nach Burkerts Ansicht einen großen Fehler gemacht, als er 2006 mit der neuen Verordnung für Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten einen ungebrochenen Boom auslöste. "Seitdem hat sich die Zahl der Automaten in Spielhallen verdoppelt. Der Staat muss auf die Bremse treten." 260 000 Geräte gebe es deutschlandweit in Spielhallen und Gaststätten. Zwischen 2010 und 2011 sei die Zahl der Hallenstandorte im Saarland um 59,6 Prozent auf 166, die der Spielgeräte um 56,5 Prozent auf 2786 gestiegen, zitierte Burkert die Landesfachstelle für Glücksspielsucht. Allein 24 Standorte zählt Burkert im 600-Meter-Radius um seinen Arbeitsplatz, das Totohaus.
Das soll sich mit dem neuen Landesspielhallengesetz ändern. Burkert findet das gut. "Wir wollen ein Gesetz, das festlegt, wie viele Hallen zulässig sind." Mindestabstände von 250 Metern, wie diskutiert, reichen Burkert nicht. "Ich tendiere zum Mindestabstand von 500 Metern."
Der Glücksspieländerungsstaatsvertrag, auf dem das neue Landesgesetz einmal basieren soll, liege schon bei der Europäischen Union. "Wir hoffen auf grünes Licht." Saarbrücken. Als zu Unrecht kritisiert sehen sich in der Spielhallen-Debatte die im Automaten-Verband Saar (AVS) zusammengeschlossenen Unternehmer. AVS-Chef Christian Antz widerspricht der Stadt Saarbrücken, wenn diese sagt, sie habe es schwer, Spielhallen zu verhindern. Die Stadt könne schon jetzt Ansiedlungen steuern, müsse die zugrunde liegenden Vorschriften jedoch auch anwenden. Und zugepappte Fenster gefielen den Betreibern auch nicht. Das sei imageschädigend, aber oft vom Gesetzgeber vorgeschrieben.
Und ob der Glücksspieländerungsstaatsvertrag Gesetz werde, sei fraglich. Experten hätten festgestellt, dass er dem Europarecht und dem deutschen Verfassungsrecht widerspreche. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder, halte die im Vertrag zementierte Ungleichbehandlung zwischen staatlichem Glücksspiel und dem gewerblichen Geld-Gewinnspiel für einen "glatten Verfassungsbruch". red/ole