Gedanken ums Einkaufen im Alter

Neunkirchen · Jede Woche erreichen das Neunkircher Seniorenbüro Anfragen zu Hilfeangeboten. Meist nicht von Betroffenen, sondern von Familienangehörigen. Das Seniorenbüro führt auch eine Liste zum Lebensmittel-Service: Wer liefert nach Hause?

 Rosemarie Jene, Antonia Appel und Martina Krause (von links) bringen in Hamgard die Lebensmittel auf Wunsch zu den Kunden. Foto: Thomas Seeber

Rosemarie Jene, Antonia Appel und Martina Krause (von links) bringen in Hamgard die Lebensmittel auf Wunsch zu den Kunden. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Die Idee eines "Senioren-Zubringer-Dienstes" hat Günter Schwinn aus Neunkirchen-Kohlhof in die SZ-Redaktion hineingetragen. Die Bevölkerung werde älter, so Schwinn: "Wenn im fortgeschrittenen Lebensalter Einwohner von kleinen und zunehmend auch mittleren Gemeinden keine Einkaufsmöglichkeiten mehr in ihrem näheren Umfeld haben und früher oder später auch wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr Auto fahren können, haben sie ein Problem." Leser-Reporter Schwinn plädiert für bezahlbare Zubringerdienste, die zudem eine kommunikative Bereicherung sein könnten.

Unsere Zeitung hat sich in den Kommunen des Landeskreises Neunkirchen umgehört. Spürbar: Die Sensibilität für dieses Thema ist da, Strukturen sind es noch nicht immer. Aber es tut sich was. Schauen wir auf die Kreisstadt Neunkirchen mit gut 46 000 Einwohner in zehn Stadtteilen - von rund 21 000 in der Innenstadt bis rund 560 in Sinnerthal. "Das ist ein großes Thema für die Zukunft", sagt der Beigeordnete Sören Meng im SZ-Gespräch mit Blick auf die schrumpfende und alternde Gesellschaft. Da öffne sich auch ein Markt: "Es treten Dienstleister an die Stadt heran: Wir haben eine Idee - können Sie uns unterstützen?", berichtet Meng. "Aber wir müssen nach Prüfung oft absagen, weil uns das Konzept doch nicht ausgereift erscheint." "Generationenfreundliches Einkaufen" stehe aber auf der Tagesordnung der Stadtpolitik, so Meng weiter. "Wir suchen das Gespräch mit der City-Managerin und der Geschäftswelt." Barrierefreiheit ist ein Stichwort, größere Auszeichnung an der Ware oder ein Stuhl, um sich auch mal kurz erholen zu können, sind andere Ansatzpunkte. Dazu kommen Themen wie Bringdienst oder Begleitdienst beim Einkaufen. "Wir" - dazu gehören auch Experten wie Seniorenbüro oder Seniorenbeirat.

"Wir brauchen ein Hilfesystem, das vielfältig ist, so wie die hilfebedürftigen Menschen es auch sind", erklärt Monika Jost vom Neunkircher Seniorenbüro. Es müsse noch leichter werden zu erfahren, wohin man sich wenden könne, wenn man Hilfe brauche. "Und wir müssen die älteren oder auch gesundheitlich eingeschränkten Menschen ermutigen, Hilfe auch in Anspruch zu nehmen."

Noch sei der Handel nicht unbedingt auf den demografischen Wandel angesprungen, noch funktionierten oft Nachbarschaftsshilfe und familiäre Bande, beobachten Meng und Jost. "Aber die Folgen des demografischen Wandels kommen. Wir müssen uns darauf einrichten." In der Stadt Neunkirchen ist fast jeder Fünfte älter als 65. Bis zum Jahr 2020 wird der Anteil laut Prognose auf gut 24 Prozent bis 2040 auf sogar auf 30 Prozent steigen.

"Uns erreichen jede Woche Anfragen zu Hilfeangeboten", berichtet Monika Jost. "Meist fragen nicht die Betroffenen, sondern Familienangehörige." Als Information des Seniorenbeirates und des Seniorenbüros der Stadt liegt ein Faltblatt "Versorgung zu Hause" vor. Darin ist neben fahrbarem Mittagstisch, Haushaltshilfen oder mobile Friseurdiensten auch Lebensmittel-Service aufgelistet. Monika Jost: "Und wer solch einen Service anbietet, kann sich gern bei uns melden und kommt auf die Liste."

Kontakt: Seniorenbüro Neunkirchen, Monika Jost, Telefon (06821) 202-180, E-Mail seniorenbuero@neunkirchen.de.

Man kennt sich, hält beim Einkauf gern auch noch ein Schwätzchen. Auf rund 120 Quadratmetern bietet "Antonias Laden" in der Wiebelskircher Straße in Hangard all das an, was der Mensch fürs alltägliche Leben so braucht - von A wie Apfel bis Z wie Zucker. Und da die Kundschaft bisweilen vielleicht doch nicht mehr die allerjüngsten Beine hat und das Schwätzchen doch bequem sein soll, stehen in Antonias Laden ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen bereit, Sprudelwasser mit Gläsern und noch ein Schälchen mit kleinen Naschereien. Seit drei Jahren führt Antonia Appel - eine Ur-Hangarderin - den "nah&frisch"-Shop. Und sie gehört auch zu den Einzelhändlern, die einen Bringdienst für ihre Kunden anbieten - "in Hangard, kostenfrei, unabhängig von der Menge". "Wir fahren immer freitags aus, donnerstags und noch am Freitagmorgen kann bestellt werden", berichtet die 51-Jährige. Die Chefin selbst oder eine ihrer drei Angestellten - ihre Schwester Martina Krause, Rosemarie Jene oder Ingeborg Reichmann - fahren im 1865-Seelen-Dorf rund. Mehrheitlich nutzten Kunden jenseits der 60 den Bringdienst: "Unsere älteste Kundin ist Mitte neunzig", berichtet Antonia Appel. "Kein Auto, großer Einkauf, zu schwer zum Tragen", das sind schon die Gründe. Mehr Bestellkunden seien es in den letzten Jahren allerdings nicht geworden, stellt die Chefin weiter fest. Trotz allmählicher alternder Gesellschaft. "Hier in Hangard sind überwiegend noch die Kinder da, die für die Mutter oder den Vater einkaufen. Und die Nachbarschaftshilfe funktioniert auch noch."

Zwei Autofahrten stehen an diesem Freitagmorgen des SZ-Besuchs auf dem Programm. Die vorbereiteten Kisten werden im Kofferraum verstaut. "Viele, die regelmäßig bei uns bestellen, weil sie eben selbst nicht mehr einkaufen gehen können, freuen sich, wenn man kommt, ein bisschen plaudert, gute Laune mitbringt", erzählt Rosemarie Jene. "Und wenn jemand anruft, weil er doch noch etwas vergessen hat, dann bring' ich es am Samstag nach Feierabend eben noch schnell vorbei. Alles kein Problem." cle

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