Geburt nach Terminplan

Saarbrücken. Seit Jahren steigt die Kaiserschnitt-Rate im Saarland, aber auch bundesweit an. Waren 1990 noch 18 Prozent der Kinder per Kaiserschnitt entbunden worden, lag die Rate 2009 schon bei knapp 36 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie eine Umfrage unter Frauenärzten und Hebammen im Saarland zeigt

Saarbrücken. Seit Jahren steigt die Kaiserschnitt-Rate im Saarland, aber auch bundesweit an. Waren 1990 noch 18 Prozent der Kinder per Kaiserschnitt entbunden worden, lag die Rate 2009 schon bei knapp 36 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie eine Umfrage unter Frauenärzten und Hebammen im Saarland zeigt."Die Frauen wollen das planen, sie haben Angst vor Kontrollverlust", sagt Ariane Pém, Chefärztin der Frauenklinik vom St. Josef-Krankenhaus Dudweiler. Viele Kliniken hätten sich damit arrangiert und würden versuchen, auf den Wunsch der Frau einzugehen. Zudem sei es sehr schwierig, eine Frau umzustimmen, die sich bereits entschieden hat. "Die Frauen wollen bestimmen, wann das Kind kommt. Und sie werden auch eine Klinik finden, die das macht", meint Edith Gabel-Moritz vom Saarländischen Hebammenverband. Auch Dieter Mink, Leiter der Frauenklinik am Saarbrücker Winterberg, hat beobachtet, dass der so genannte Wunsch-Kaiserschnitt in den letzten Jahren zugenommen hat. Den Frauen gehe es vor allem um Planbarkeit. Bei einem Kaiserschnitt könne sich die Frau auf den Ablauf einstellen. Bei einer natürlichen Geburt wisse die Frau nicht, wie lange sie dauern und wie schmerzvoll sie sein wird. Rund 3000 Euro bekommen Kliniken für einen Kaiserschnitt - fast das Doppelte als für eine normale Geburt. "Der finanzielle Anreiz ist sicher ein Grund. Außerdem dauert ein Kaiserschnitt maximal eine Stunde, eine Geburt kann aber bis zu 18 Stunden dauern", sagt Ariane Pém. Das bestätigt auch Norbert Schöndorf, ehemaliger Chefarzt der St. Elisabeth-Klinik in Saarlouis. "Der wirtschaftliche Druck in den Kliniken ist erheblich. Der Aufwand für eine natürliche Geburt ist wesentlich höher als für eine Kaiserschnitt-Entbindung. Geburtshilfe ist da wie ein Störfaktor, weil sie nicht planbar ist." Doch das sehen nicht alle Ärzte so. "Dadurch kann man sich keine Reputation erwerben. Es würde sich rumsprechen, wenn Ärzte versuchen, die Frauen zum Kaiserschnitt zu überreden", sagt Johannes Bettscheider vom Landesverband der Frauenärzte und Chefarzt im DRK-Krankenhaus in Saarlouis. Mit knapp 36 Prozent liegt die Kaiserschnitt-Rate im Saarland sechs Prozent über der des Bundesdurchschnitts (30 Prozent). Doch wie verlässlich ist der Bundesdurchschnitt? "Die ehemaligen ostdeutschen Länder, wo die Kaiserschnitt-Rate traditionell niedriger ist, verfälschen den Durchschnitt. Lässt man diese weg, ist das Saarland nur wenige Prozent-Punkte über dem Schnitt", sagt Bettscheider. In den westlichen Bundesländern (ohne Berlin) liegt die Rate laut statistischem Bundesamt über 30 Prozent, in den östlichen darunter (siehe Infografik). Ingolf Juhasz-Böss sieht in der gestiegenen Klagebereitschaft eine wichtige Ursache für die hohe Rate. "Es werden immer höhere Summen eingeklagt. Das kann sich heute keine Klinik leisten. In brenzligen Situationen entscheidet man sich in Absprache mit der Mutter lieber für den Kaiserschnitt", sagt der Leiter des Kreißsaals am Uniklinikum in Homburg. Dass das Saarland trotzdem über dem Bundesschnitt liegt, lässt sich durch gesundheitliche Faktoren erklären, zum Beispiel, dass hier mehr Frauen rauchen. "Raucherinnen haben ein 20fach höheres Risiko einer Frühgeburt und die werden in der Regel per Kaiserschnitt entbunden", sagt Bettscheider. Außerdem sei das Saarland mit einer hohen Zahl an Kliniken eher städtisch geprägt - in ländlichen Regionen hingegen sei die Kaiserschnittrate eher niedriger. Allerdings steigt mit dem Alter das Bedürfnis nach maximaler Sicherheit, sagt Juhasz-Böss. Laut einer Meldung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ist für die Rate unter anderem der hohe Anteil an übergewichtigen Müttern ausschlaggebend. Da diese häufiger an Diabetes litten, käme es öfter zu einem Kaiserschnitt. Schließlich wird das steigende Alter der saarländischen Mütter als Grund genannt. "Das ist aber kein zwangsläufiger Grund für einen Kaiserschnitt", sagt Ariane Pém. Das Risiko für Bluthochdruck und Zucker steige mit dem Alter. Bei vielen Ärzten ist nach wie vor umstritten, ob die Kaiserschnittoperation nun riskanter ist als die natürliche Geburt. Manche Ärzte sehen das Risiko mittlerweile als gleich an. Dennoch, wegen der Narbenbildung steige aber das Risiko bei einer nachfolgenden Geburt oder Operation, fügt Bettscheider hinzu. "Es würde sich rumsprechen, wenn Ärzte versuchen, die Frauen zum Kaiserschnitt zu überreden." Johannes Bettscheider, Landesverband der Frauenärzte

HintergrundZwei Arten von Kaiserschnitten unterscheidet man. Der primäre oder geplante Kaiserschnitt steht vor der Geburt fest - Grund sind unter anderem Vorerkrankungen, eine schlechte Lage des Kindes, aber auch der Wunsch der Eltern. Sekundäre Kaiserschnitte ergeben sich bei Komplikationen während der Geburt, zum Beispiel durch einen Geburtsstillstand oder veränderte Herztöne des Kindes. Laut Qualitätsbüro im Saarland ist die Zahl der geplanten Kaiserschnitte von 1234 im Jahr 2005 auf 1522 im Jahr 2009 gestiegen, die Rate der sekundären Kaiserschnitte hingegen ist sogar leicht gesunken von 1236 (2005) auf 1134 (2009). Laut Techniker Krankenkasse wird ein primärer Kaiserschnitt im Saarland mit 2464 Euro vergütet. Für einen sekundären Kaiserschnitt zahlen die Krankenkassen 3065 Euro. Für eine natürliche Geburt bekommen die Krankenhäuser 1568 Euro. mwi

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