Ganz im Dienste der Weltkirche

Herr Pfarrer Spiegel, Sie folgen bald dem Ruf brasilianischer Bischöfe und gehen erneut nach Südamerika. Warum? Gefällt es Ihnen in Blieskastel nicht mehr?Pirmin Spiegel: Lassen Sie mich die Frage in einen größeren Zusammenhang stellen

 Pfarrer Pirmin Spiegel geht wieder nach Brasilien. Foto: SZ/Pfarrei

Pfarrer Pirmin Spiegel geht wieder nach Brasilien. Foto: SZ/Pfarrei

Herr Pfarrer Spiegel, Sie folgen bald dem Ruf brasilianischer Bischöfe und gehen erneut nach Südamerika. Warum? Gefällt es Ihnen in Blieskastel nicht mehr?Pirmin Spiegel: Lassen Sie mich die Frage in einen größeren Zusammenhang stellen. Schon lange wird davon gesprochen, dass der Kirche der Durchbruch gelingt - von einer europäisch-abendländisch geprägten Kirche hin zu einer wirklichen Weltkirche. Weltweit tätige Orden leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. Sie haben einen intensiven Lernprozess durchgemacht, bis es ihren Mitgliedern möglich war, andere Kulturen in ihrer Andersartigkeit anzuerkennen und mit ihnen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Durch diese Orden und durch die kirchlichen Hilfswerke - wie beispielsweise Misereor und Adveniat - wurde die Sorge für eine weltweit tätige Kirche mitgetragen und immer mehr bewusst. Weltkirche heißt dabei nicht nur, weltweit Kirche zu sein, also überall die gleiche Liturgie, die gleiche Art der Katechese vorzufinden. Nein, es bedeutet, die Erfahrung von Fremdheit zuzumuten. Es geht darum, in den jeweils anderen Kulturen Spuren des Evangeliums zu finden, die das eigene Verstehen der Botschaft von einem Gott der Befreiung und des Lebens vertiefen und erweitern. Mein Ohr und mein Herz waren stets offen für diese bereichernden Erfahrungen. In den letzten Jahren versuchte ich diese in die Pastoral unserer Pfarreiengemeinschaft Blieskastel-Lautzkirchen einzubringen. Ich habe hier Heimat gefunden und viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Dass die auch dieser "Sache" wegen unterwegs sind, macht große Freude und gibt mir Mut. Nun erneuerten einige brasilianische Bischöfe und ihre Ortskirchen ihre Einladung, eine vor Jahren von mir und anderen bereits begonnene Arbeit, die sich bewährte und von mehreren Diözesen angefragt wurde, zu intensivieren. Erneut dafür zu leben, von Fremdheit zu lernen, den eigenen Glauben anders durchzubuchstabieren und zu vermitteln, die Freude zu vertiefen und einen vielleicht kleinen Beitrag für die Menschen und ihre Ortskirchen zu leisten, lässt mich dem Ruf folgen.Warum gehen Sie ausgerechnet nach Brasilien?Pirmin Spiegel: Weltkirche zu sein heißt, Kirche in der Welt zu sein. Das ist nicht banal, sondern geht ins Zentrum unseres Glaubens. Die Freude und Hoffnung, Angst und Trauer der Menschen von heute, besonders der Bedrängten, sollen uns zu eigenen Freuden und Hoffnungen, zu eigener Trauer und eigenen Ängsten werden. Damit ist gemeint, dass sich die, die Jesus nachfolgen, im Sinne des Evangeliums für das Wohl aller Menschen einsetzen - besonders das der Armen und Bedrängten - und für die gut geschaffene Schöpfung. Gerade die Kirche in Brasilien war eine Art Vorreiter für diesen Geist und dieses Verständnis, Kirche zu sein. Da wurden Menschen inmitten von Armut und lebensbedrohenden Konflikten vielerorts zu einem solidarischen Handeln befähigt. Im Jahr 1981 war ich für nur sechs Monate dort. Und doch beeindruckte und motivierte mich bereits das kirchliche Leben im Nordosten Brasiliens und die Glaubwürdigkeit der Kirche aufgrund solcher Optionen. Dies war ein schmerzlicher und zugleich befreiender Lernprozess, der meine Spiritualität und mein pastorales Denken prägte. Von 1990 an waren es dann weitere dreizehn Jahre, in denen ich mit den Menschen dort unterwegs war, um das Leben aus der Perspektive des Glaubens zu wagen. In der herzlichen Kultur Südamerikas glauben und leben die Menschen mit allen Sinnen.Wie lange wollen Sie bleiben und was werden Ihre Aufgaben in Brasilien sein?Pirmin Spiegel: Im Freistellungs- und Sendungsschreiben meiner Heimatdiözese Speyer steht als Aufgabe die "Ausbildung und Begleitung von Laienmissionaren für die Dauer von fünf Jahren." Deshalb ein Wort zum Begriff "Mission". Es geht da nicht um alte Vorstellungsmuster von kirchlicher Missionstätigkeit, die nach wie vor die öffentliche Meinung prägen und mit Beherrschung, Missbrauch und Zwang zu tun haben. Auch nicht darum, dass sich die ganze Welt nach dem Modell westlicher Konsumgesellschaften zu entwickeln hat. Nein, es geht um keine Art von Bevormundung. Im Gegenteil, es ist von großer Bedeutung, ernst zu nehmen, was den Menschen wertvoll und heilig ist. Es ist wichtig, sich ihrer Lebenswelt wertschätzend zu stellen, ihrer Kultur, ihren realen Bedürfnissen, ihren existenziellen Fragen und Nöten. Es geht um die Inhalte des konkreten Lebens. Was haben die mit unserem Glauben zu tun? Ist uns eine Richtung aufgezeigt, in der wir uns engagieren müssen? Können wir einen Beitrag leisten zum Aufatmen der Menschen? Meine Aufgaben werden sein, Menschen dafür neugierig zu machen, ihre Potentiale und ihren Glauben innerhalb der Gemeinden einzusetzen - zu Gunsten des Lebens, ihre Möglichkeiten zu entdecken, zu teilen und mitzuteilen, um so zu einem lebendigeren Miteinander zu kommen, zu einem persönlichen und gesellschaftlichen Wachsen in der Nachfolge Jesu. Es wird meine Aufgabe sein, diese Prozesse zu animieren und zu begleiten, denn diese missionarische Aufgabe in den Gemeinden wird gerade von "Laien", von Frauen und Männern und von der Jugend vor Ort übernommen. Sie setzen ihre Geistesgaben ein und werden zu Trägerinnen und Trägern der Pastoral und des Gemeindelebens.Sie sind jetzt 52 Jahre alt. Gibt es in einigen Jahren ein Wiedersehen in Blieskastel?Pirmin Spiegel: Wir spüren bereits jetzt sehr deutlich, dass unsere traditionelle Gemeindepastoral überall an Grenzen stößt. Viele finden in den traditionellen Gemeinden keine Heimat mehr, trotz vieler Anstrengungen. Die oft auf den Binnenraum der Kirche bezogene Sicht wird gesprengt werden. Unsere Kirche wird sich entwickeln und verändern, von einer eher in Pfarreien mit "eigenem" Priester organisierten Kirche ist eine Bewegung hin zu einer eher missionarischen Kirche zu erwarten. Dass die Verantwortung, Missionar zu sein, für alle Getauften gilt, wird dann wieder deutlicher. Von den Herausforderungen im konkreten Leben ausgehend, werden Anknüpfungspunkte sichtbar, zu denen wir als christliche Gemeinden und Kirche einen wichtigen Beitrag leisten können. Meine Freistellung gilt für fünf Jahre. Wo und auf welche Weise dann mein Dienst konkret werden wird, ist noch nicht absehbar. Auf jeden Fall sollen die Erfahrungen aus dem christlichen Glaubensleben in Brasilien auch bei uns kommuniziert werden. Doch blicken wir nicht schon Jahre voraus. Zunächst heißt es, in der neuen Aufgabenstellung im August in Brasilien die ersten Schritte zu gehen. Mit den Menschen in unserer Pfarreiengemeinschaft, denen ich für die Wegbegleitung während der vergangenen Jahre in einem Sendungsgottesdienst am 4. Juli "Danke" sagen will, werde ich verbunden bleiben. Gottverbundenheit kennt keine Grenzen, wirkt um die ganze Welt, ist die Brücke von Mensch zu Mensch. In dieser Überzeugung bleiben wir zusammen!

Zur PersonPfarrer Pirmin Spiegel ist in Großfischlingen in der Pfalz aufgewachsen und studierte von 1979 bis 1984 Theologie und Philosophie. Er war ab 1986 als Priester in Kaiserslautern tätig. Seit dem Jahr 1990 engagierte er sich dann als Pfarrer im Nordosten Brasiliens. Die von ihm mitbegründete Landwirtschaftsschule in Capinzal do Norte wurde zum Modell für viele weitere im Land. Sein Wirken in der Ausbildung von so genannten Laienmissionaren, insbesondere von 2000 bis 2003, fand die Wertschätzung von Laien, Priestern und Bischöfen. Bald kehrt der 52-jährige Pirmin Spiegel, der seit Anfang 2004 Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Blieskastel-Lautzkirchen ist, mit einer neuen Beauftragung nach Brasilien zurück. Am Sonntag, 4. Juli, 17 Uhr, ist der Sendungsgottes in der Pfarrkirche St. Mauritius, Lautzkirchen. ert

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