Die wichtigsten Spiele, Entwickler, Pläne (mit Bildergalerie) Gamescom hat begonnen – und für die saarländische Videospielbranche folgt noch 2021 ein großer Schritt

Saarbrücken · Die Gamescom, die größte Videospielmesse der Welt, ist eröffnet. Auch das Saarland ist dabei. Vertreter der hiesigen Games-Branche erklären, welche Spiele hier entstehen, wie sie gefördert werden, wo man Gamedesign lernen kann – und welcher weitere große Schritt für die Zukunft des Saarlandes als Spiele-Standort ansteht.

Gaming: Diese Videospiele stammen aus dem Saarland
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Diese Videospiele stammen von der Saar

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Foto: Radical Fish Games

CDI-Agent Neil Conrad muss in einer düsteren Science-Fiction-Welt einen Mordfall aufklären, der droht, das gesamte Sonnensystem ins Chaos zu stürzen und gerät dabei immer tiefer in einen Strudel aus politischen Intrigen. Mit all dem schlägt er sich rauchend, monologisierend und Trenchcoat-tragend wie die Antihelden klassischer Noir-Detektivgeschichten herum. Neil ist übrigens Saarländer – also zumindest seine Eltern. Denn er ist der Protagonist des Computerspiels „Lacuna“, das vom Saarbrücker Spielestudio DigiTales Interactive entwickelt wurde.

Lacuna“ ist das Erstlingswerk des mittlerweile vierköpfigen Teams unter Leitung der Gründer Julian Colbus und Jasmin Pfeiffer. Sie beschreiben das Spiel als „2D sci-fi noir adventure“. Im Vordergrund steht das interaktive Geschichtenerzählen: Die Handlung kann, abhängig von den Entscheidungen der Spieler, unterschiedlich verlaufen. „Wir stellen die Spieler vor moralisch interessante Entscheidungen, die sie dazu bringen sollen, über ihre Wertvorstellungen nachzudenken.“ Für Pfeiffer steht fest: „Diese Geschichte kann man auf diese Art nur in diesem Medium erzählen!“

Erfolgsrezept aus dem Saarland bei der Gamescom

Das Rezept scheint aufzugehen: In den drei Monaten seit Erscheinen kann „Lacuna“ auf der Plattform Steam Verkaufszahlen verzeichnen, die viele Independent-Entwickler niemals erreichen. Laut Colbus ist das vor allem Verleger Assemble Entertainment zu verdanken: „Dank gutem Marketing konnten wir aus der Flut von Games, die jeden Tag erscheinen, herausstechen.“ Außerdem habe Assemble Entertainment dazu angeregt, „Lacuna“ auch ins Chinesische, Koreanische und Japanische übersetzen zu lassen. „Und jetzt macht der asiatische Markt gut die Hälfte unserer Verkäufe aus“, erklärt Colbus.

Bei der diesjährigen Gamescom stellen DigiTales Interactive „Lacuna“ im Rahmen der sogenannten Indie Arena Booth vor. Da die Gamescom dieses Jahr erneut nur in digitaler Form stattfinden kann, ist die Indie Arena Booth, in der Independent-Entwickler ihre Spiele vorstellen, als virtueller Raum angelegt, den Besucher mit einer Spielfigur erkunden können.

Das Land investiert in Videospiele

Die Entwicklung eines Computerspiels kostet natürlich Zeit und Geld – viel Geld. Und das kommt zum Teil vom Land: 2018 fiel der Startschuss für „Game Base Saar“: Die Landesinitiative fördert das Etablieren der Videospielindustrie als saarländischen Wirtschaftszweig mit jährlich bis zu 180.000 Euro.

„Die drei Säulen unserer Arbeit sind Fördern, Bilden und Vernetzen“, erklärt Bernd Schneider, Ansprechpartner für Spieleförderung bei Saarland Medien. Saarländische Spieleentwickler können sich mit ihren Projekten auf finanzielle Förderung bewerben. „Mit diesem Grundstock ist dann die anfängliche Entwicklung und eine weitere Bewerbung auf Bundesförderung möglich“, sagt Schneider.

Game Award Saar

Neben der direkten Projektförderung gibt es auch den jährlichen Game Award Saar: Preise bis zu 10.000 Euro erhalten im Saarland ansässige Entwickler, um ihre Ideen umzusetzen und ihre Unternehmen weiter auszubauen. DigiTales hat die Jury schon mehrmals überzeugt: 2018 erhielten Colbus und Pfeiffer den Gründerpreis. Das Geld ermöglichte es den beiden, einen Prototypen von „Lacuna“ fertig zu stellen, dessen Entwicklung sie aber immer noch größtenteils aus eigener Tasche finanzierten. 2019 heimste der dann sowohl den Preis für den besten Prototypen als auch einen Sonderpreis ein.

Zusammen mit weiterer Förderung aus den Töpfen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur konnten Colbus und Pfeiffer nun zwei weitere Entwickler fest ins Team holen. „Der allergrößte Teil des Geldes fließt in Gehälter“, sagt Colbus. „Anfangs wollten wir möglichst viel selbst machen, haben gelernt, wie man programmiert und Pixelart animiert. Aber uns wurde schnell klar, dass wir ewig brauchen werden, wenn wir kein Geld in die Hand nehmen, um Fachleute anzuheuern.“

Und nun, da „Lacuna“ endlich fertig gestellt ist, haben Colbus und Pfeiffer es auf den Preis für das beste Spiel bei den diesjährigen Game Awards Saar abgesehen. Auch ein neues Projekt steht bereits in den Startlöchern, für die das DigiTales-Team nochmal vergrößert werden soll.

(Aus-)Bildung: Da geht noch mehr!

Aber irgendwo müssen die nötigen Entwickler erst mal ihre Fähigkeiten erlernen. Damit kommen wir zur zweiten Säule der Game Base Saar: Bildung. „Wir finanzieren universitäre Veranstaltungen, wie zum Beispiel die jährliche Games-Ringvorlesung an der Uni“, sagt Schneider von Saarland Medien. Außerdem werden sogenannte Masterclasses angeboten: „Das sind Weiterbildungsangebote für Spieleentwickler, die von namhaften Fachleuten aus der Branche gehalten werden.“ Dieses Jahr hat zum Beispiel Jörg Friedrich – einer der Entwickler hinter dem Preisträger des deutschen Entwicklerpreises „Through the Darkest of Times“ – über sogenannte „serious games“ gesprochen, also Spiele, die nicht nur unterhalten sollen, sondern auch einen gewissen Bildungsanspruch haben.

Doch da geht noch mehr, findet Jasmin Pfeiffer. Sie forscht in der Medienwissenschaft der Saar-Uni zu Videospielen, organisiert gemeinsam mit Colbus die Games-Ringvorlesung und gibt auch Kurse zu Spieleentwicklung in der Informatik. „Was fehlt, ist ein dezidierter Games-Studiengang im Saarland“, sagt sie. An Uni, HBK und HTW werden zwar einzelne Veranstaltungen zur Spieleentwicklung angeboten – aber: „Die hängen an Einzelpersonen. Sollten die den Arbeitsplatz wechseln oder einfach keine Zeit oder Lust mehr haben, dann fallen sie komplett weg.“ Darum sei es wichtig, das Thema Videospiele an den saarländischen Hochschulen auf Dauer institutionell zu verankern.

Networking für Spieleentwickler

Doch bis es soweit ist, müssen andere Mittel her, damit Spieleentwickler im Saarland keine Einzelkämpfer bleiben. Colbus und Pfeiffer haben vor einigen Jahren Game Dev Saar ins Leben gerufen – ein Netzwerk für Spieleentwickler und Interessierte, das einen monatlichen Stammtisch und andere Veranstaltungen organisiert.

 Julian Colbus und Jasmin Pfeiffer, die Gründer des saarländischen Game-Studios Digitales Interactive, im frisch bezogenen Büro in den Räumlichkeiten des neuen Games-Hub in Saarbrücken. Immer dabei: „Büro-Möpse“ Edgar (links) und Joe (rechts).

Julian Colbus und Jasmin Pfeiffer, die Gründer des saarländischen Game-Studios Digitales Interactive, im frisch bezogenen Büro in den Räumlichkeiten des neuen Games-Hub in Saarbrücken. Immer dabei: „Büro-Möpse“ Edgar (links) und Joe (rechts).

Foto: Saarbrücker Zeitung/Adrian Froschauer

Auch in diesem Bereich spielt Game Base Saar mit, denn die dritte Säule der saarländischen Spieleinitiative ist Vernetzung. „Dabei geht es um Veranstaltungen, die helfen sollen, Kontakte zu knüpfen und in der Branche auf dem Laufenden zu bleiben“, sagt Schneider von Saarland Medien. Zum Beispiel entsandt das Saarland 2019 eine Delegation von Vertretern aus Politik, Bildung und Industrie sowie Studierende in den Backstage- und Entwicklerbereich der Gamescom in Köln. Dieser Aspekt ist Corona-bedingt dieses und letztes Jahr etwas kürzer gekommen. Bei der diesjährigen Gamescom hat Game Base Saar einen Stand in den virtuellen Räumlichkeiten der rheinland-pfälzischen Initiative Games Ahead, den man direkt im Browser mit einer Spielfigur erkunden kann, um sich über saarländische Spiele zu informieren.

Großer Schritt für Games im Saarland

Schneider verrät außerdem: „Noch dieses Jahr steht ein weiterer ganz großer Schritt für das Saarland als Spiele-Standort an: die Begündung eines eigenen Games-Hub.“ Was ist das? Drei etablierte saarländische Studios – DigiTales Interactive, Radical Fish Games und battyRabbit – ziehen in eigene, gemeinsame Räumlichkeiten der „Halle 4“ in Saarbrücken ein. Etliche verschiedene Firmen sind in dem Gebäude angesiedelt. „Aber die Spieleentwickler sitzen in einem eigenen Gebäudeteil und bilden damit ein Games-Zentrum im Saarland“, sagt Schneider. „Hier erhalten kleine Start-Up-Unternehmen die Gelegenheit, gemeinsam zu wachsen und von gegenseitigen Erfahrungen zu profitieren.“ Ein solches Zentrum sendet ein deutliches Signal für die Spieleindustrie im Saarland und erleichtert die Kommunikation und Vernetzung – darum hat sich Game Base Saar an der Organisation des Umzugs beteiligt und finanziert einen Teil der Miete. 

Der saarländische Games-Hub wird voraussichtlich Ende des Jahres offiziell eröffnet. Das DigiTales-Team hat sein Büro im Hub schon bezogen. Bisher saßen die Entwickler im Starterzentrum auf dem Uni-Campus, wo sie sich zunächst 15 Quadratmeter zu viert teilen mussten. Pfeiffer erinnert sich: „Jedes Mal, wenn jemand zur Toilette wollte, musste jemand anderes seine Arbeit unterbrechen und aufstehen, um Platz zu machen.“ Das ist Vergangenheit: Nun hat jeder einen eigenen großen Schreibtisch, und es ist sogar genug Platz, dass die beiden schwarzen „Büro-Möpse“ Edgar und Joe herumtollen können. Tür an Tür mit anderen Entwicklern wird der kreative und technische Austausch bald viel einfacher funktionieren.

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