Gab es eine schwer wiegende Ermittlungspanne?

Saarbrücken. Der V-Mann nannte der Kripo am 4. Oktober 2001 Namen und Wohnort des polizeibekannten Sexual- und Serienstraftäters E., den er mehrfach in der Tosa-Klause gesehen habe. E. habe dort eine handgreifliche Auseinandersetzung mit einem anderen Mann gehabt, in der es "offensichtlich um sexuelle Kindesmisshandlung gegangen" sei

Saarbrücken. Der V-Mann nannte der Kripo am 4. Oktober 2001 Namen und Wohnort des polizeibekannten Sexual- und Serienstraftäters E., den er mehrfach in der Tosa-Klause gesehen habe. E. habe dort eine handgreifliche Auseinandersetzung mit einem anderen Mann gehabt, in der es "offensichtlich um sexuelle Kindesmisshandlung gegangen" sei. Die Kripo verschriftete den Hinweis unter der Überschrift "Hinweis in der Vermisstensache Pascal Zimmer".Das Vorstrafenregister von E. wies nach SZ-Recherchen damals 18 Einträge auf, darunter eine Vergewaltigung in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung. Dennoch unterließ es die Kripo, E. auf der Dienststelle zu vernehmen, den anderen vom V-Mann genannten Mann ausfindig zu machen und einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss für die Tosa-Klause zu erwirken. Sie begnügte sich stattdessen damit, E. am 5. Oktober 2001 in dessen Wohnung "oberflächlich" zu befragen, wie die Polizei eineinhalb Jahre später in einem Vermerk selbst einräumte. Bei der Befragung gab E. vor, sich an nichts zu erinnern. Seine ebenfalls anwesende Freundin sagte, sie wisse von einer Auseinandersetzung, dabei sei es aber nicht um Kindesmissbrauch gegangen. Eine Durchsuchung der Tosa-Klause unterblieb, obwohl gleich mehrere Gründe dafür sprachen: die Aussagen des V-Manns - laut Innen-Staatssekretär Gerd Müllenbach ein langjähriger "zuverlässiger" Mitarbeiter der Kripo -, das Vorstrafenregister von E. sowie die Tatsache, dass E. nur 100 Meter von Pascals Elternhaus und nur 30 Meter von der Tosa-Klause entfernt wohnte.Eine Durchsuchung unterblieb, obwohl damals eine Strafanzeige des Jugendamts gegen Tosa-Wirtin Christa W. wegen Misshandlung ihres damals sechsjährigen Pflegekindes Kevin anhängig war. Dabei ging es auch um den Vorwurf, dass Kevins geistig behinderte Mutter, die von Christa W. betreute Andrea M., den Geschlechtsverkehr mit Freiern vor ihrem Sohn praktiziert habe - was rechtlich als sexueller Kindesmissbrauch gilt. Der Kripobeamte J., der die Such- und Durchsuchungsmaßnahmen nach Pascals Verschwinden leitete und nach eigenen Angaben in Burbach "Häuserzeile um Häuserzeile durchkämmen" ließ, sagte im vorigen Jahr der Staatsanwaltschaft, dass er "keine Sekunde gezögert hätte", sich die Tosa-Klause vorzunehmen, wenn er nur "den geringsten Hinweis" auf diese Kneipe gehabt hätte, "und sei er noch so vage". Den habe er aber nicht erhalten.Und so kam es, dass die Kneipe erst im November 2002 - über ein Jahr nach Pascals Verschwinden und dem Hinweis des V-Manns - polizeilich versiegelt und Christa W. verhaftet wurde. Erst nachdem Kevin seiner neuen Pflegemutter berichtet hatte, dort missbraucht worden zu sein. Die Kripo fand nun aber im Abstellraum der Tosa-Klause keine DNA-Spuren von Kevin mehr - obwohl dieser dort nach Aussagen zahlreicher Zeugen regelmäßig stundenlang eingesperrt worden war.Nach Angaben etlicher früherer Stammgäste der Tosa-Klause war E. dort nicht irgendwer. Er bediente in der Kneipe häufig und lebte zeitweise in einer Wohnung von Christa W. in Saarbrücken-Malstatt. Umso erstaunlicher ist es, dass der Name von E. im über 300-seitigen Gerichtsurteil des Pascal-Prozesses nirgends auftaucht - nicht einmal als Zeuge. Dabei hatte die Kammer rund 70 Gäste der Tosa-Klause als Zeugen vernommen und im Urteil auch namentlich benannt.

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