Spinnentier im Saarland stark verbreitet Auwaldzecke macht Hundehaltern Angst

Saarbrücken/Birkenfeld · Hundebesitzer, deren Tiere plötzlich an hohem Fieber, Appetitlosigkeit oder blutigem Urin leiden, sollten schnell einen Tierarzt aufsuchen. Es könnte sich um eine tödliche Krankheit handeln, die von einer bestimmten Zeckenart übertragen wird.

 Eine Auwaldzecke hat sich im Fell eines Hundes in dessen Haut festgebissen und saugt Blut.

Eine Auwaldzecke hat sich im Fell eines Hundes in dessen Haut festgebissen und saugt Blut.

Foto: dpa/Tim Brakemeier

Die Zeit, dass Collie-Besitzerin Emmi Lingnau mit ihren beiden Hunden unbeschwert im Wald und auf Wiesen spazieren ging, ist vorbei. „Ich habe immer ein ungutes Gefühl“, gibt sie zu. Denn sie weiß, was ein einziger Zeckenstich anrichten kann. Ihre Hündin Laika (10) wäre fast daran gestorben. Diagnose: Babesiose.

Nur dem schnellen Eingreifen einer Tierärztin sei zu verdanken gewesen, dass Laika noch lebt. Sie erkannte sofort, dass sich der Hund mit Babesien infiziert hatte. Laika litt unter einer Infektionskrankheit, bei der die roten Blutkörperchen zerstört werden und die von der Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) übertragen wird. Für Menschen sind die Erreger ungefährlich – im Gegensatz zu bekannten Infektionen wie FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) und Borreliose, bei denen die Zeckenart Holzbock als Überträger gilt.

Vor allem das Saarland und Rheinland-Pfalz seien derzeit am stark von den Auwaldzecken mit Babesien betroffen, meint Dieter Barutzki, Fachtierarzt für Parasitologie und Leiter des Tierärztlichen Labors Freiburg. Es untersucht Blutproben aus dem gesamten Bundesgebiet. Gerade aus dem Südwesten des Landes habe man dieses Jahr „schon solch eine hohe Zahl an positiven Fällen, wie wir sie seit langem nicht gesehen haben – vielleicht sogar wie noch nie“, sagt Barutzki. Er macht vor allem den Klimawandel, das Einreisen befallener Hunde aus dem Ausland und die Nähe zu Frankreich dafür verantwortlich.

Der Saarbrücker Tierarzt Guido Arz vermutet, dass auch Gebiete mit erhöhter Bodenwärme – etwa wegen Fernwärmeleitungen oder Bergbau – die Verbreitung der Zecken begünstigen. An seiner Klinik in Saarbrücken wurden in den vergangenen Wochen bereits über 20 Hunde, die sich mit Babesiose infiziert hatten, behandelt. „Dieses Jahr ist es besonders schlimm“, sagt er. Und auch der Winter bringe keine Entwarnung. „Den letzten Fall hatte ich an Weihnachten, den ersten schon wieder im Januar“, berichtet sein Mitarbeiter Danny Eisenbarth. Allein an zwei Tagen habe er in der letzten März-Woche vier infizierte Hunde behandelt. Die Besitzer hatten sie in die Praxis gebracht, weil die Tiere hohes Fieber und dunklen Urin hatten, nichts mehr fraßen und nicht aufstehen wollten.

Auch in der Tierklinik Birkenfeld in Rheinland-Pfalz gehen bei solchen Symptomen die Alarmglocken an, sagt Tierärztin Jessica Cremer. Wichtig sei eine gewichtete Differenzialdiagnose: „Das heißt, das Wichtigste und Schlimmste wird als erstes abgeklärt.“ Dazu gehöre auch, nachzufragen, woher der Hund stamme und welche Vorgeschichte er habe. Routinemäßig werde zudem abgefragt, ob er über einen Zeckenschutz in Form von sogenannten Spot-on-Präparaten, Tabletten oder Zeckenhalsbändern verfüge. „Das Gute ist, vieles kann durch eine schnelle Blutuntersuchung dann eingegrenzt werden“, erklärt die Tierärztin.

Anders als der Holzbock sind Auwaldzecken nicht braun oder schwarz, sondern haben ein Muster auf ihrem Panzer. „Hundebesitzer sollten darauf achten, wenn man eine solche Zecke entfernt. Dann sofort zum Tierarzt gehen“, rät die Tierheilpraktikerin Meike Voss. Je nach Grad der Babesien im Blut und Zustand müssten manche Tiere stationär aufgenommen werden. „Hier spielt die schulmedizinische Betreuung eine ganz große Rolle, dass es das Tier überlebt.“ Auch wenn die akute Infektion überwunden sei, hätten einige Hunde lange mit Folgen wie zum Beispiel anhaltenden Nierenproblemen zu kämpfen, sagt Voss.

Auch Collie-Hündin Laica hatte lange mit den Folgen der Babesiose und Blutarmut zu kämpfen. „Sie brauchte vier Monate, um sich zu erholen“, berichtet Emmi Lingnau. „Und bis heute ist sie irgendwie immer noch nicht die Alte.“ Und das, obwohl die akute Infektion nun schon zwei Jahre her sei – und die 60-Jährige bei den ersten Symptomen gleich zu ihrer Tierärztin gefahren war. Die Saarländerin mag sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn sie noch gewartet hätte. „Wenn ich gedacht hätte, sie hätte nur eine Magenverstimmung und würde deshalb nicht aufstehen und nichts fressen, wäre es zu spät gewesen.“ Zum Glück habe sie ihr am Tag zuvor noch einige Zecken entfernt und ihre plötzliche Erkrankung gleich auf die Spinnentiere zurückgeführt.

 Emmi Lingau mit Laika (10). Die Collie-Dame wäre fast an Barbesiose gestorben. Sie ist nach der Erkrankung immer noch nicht die Alte. Mit einem sorglosen Gefühl in den Wald gehen die beiden nichtmehr.

Emmi Lingau mit Laika (10). Die Collie-Dame wäre fast an Barbesiose gestorben. Sie ist nach der Erkrankung immer noch nicht die Alte. Mit einem sorglosen Gefühl in den Wald gehen die beiden nichtmehr.

Foto: dpa/Katja Sponholz

Dass sie damals noch Kritikern geglaubt habe, die chemischen Zeckenschutz ablehnten und lieber auf Kokosöloder oder  Knoblauchgranulat setzten, bedauert sie.

Auch Tierarzt Danny Eisenbarth appelliert an Hundebesitzer, ihre Tiere regelmäßig mit einem geeigneten Zeckenschutz zu versorgen. Doch die Angst vor Chemie ziehe sich mittlerweile auch durch die Tiermedizin. „Dabei ist jede Erkrankung, die durch Zecken übertragen wird, 1000 Mal gefährlicher“, sagt er.

Obwohl auch Lingnau ihren beiden Collie-Hündinnen Laika und Cora inzwischen einen entsprechenden Schutz gibt, sitzt der Schock noch immer tief. „Die erste Zeit nach der Erkrankung hatte ich eine Phobie und konnte überhaupt nicht mehr in den Wald.“ Mittlerweile habe sie die Hunde öfter an der Leine und achte darauf, dass sie ihren Kopf und Hals nicht mehr ins Gebüsch stecken. „Aber mit einem sorglosen Gefühl gehe ich nie mehr.“

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort