Für die Opfer und gegen Klischees

Saarpfalz-Kreis. Ein Demokrat im Widerstand gegen ein totalitäres Regime an einer der Wiegen der deutschen Demokratie: Der Auftritt Roland Jahns, Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, bei der Siebenpfeiffer-Matinee der Siebenpfeiffer-Stiftung brachte als Dialog gestern erneut zusammen, was aus Sicht von Landrat Clemens Lindemann, dem Vorsitzenden der Stiftung, schlicht zusammengehört

Saarpfalz-Kreis. Ein Demokrat im Widerstand gegen ein totalitäres Regime an einer der Wiegen der deutschen Demokratie: Der Auftritt Roland Jahns, Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, bei der Siebenpfeiffer-Matinee der Siebenpfeiffer-Stiftung brachte als Dialog gestern erneut zusammen, was aus Sicht von Landrat Clemens Lindemann, dem Vorsitzenden der Stiftung, schlicht zusammengehört.Und Jahns biografische Entwicklung, vom inhaftierten und später aus der DDR ausgewiesenen Gegenspieler von Honecker und Mielke hin zum staatlich bestellten Aufklärer über die Untiefen dieser Diktatur, machte mit eben diesem Dialog den gestrigen Vormittag zu einem ganz besonderen Erlebnis. Denn: Jahns Anliegen war es nicht, mit pauschalen Urteilen hausieren zu gehen, sondern ganz bewusst auch die menschlichen Seiten und die menschlichen Tragödien zwischen Anpassung und Widerstand zu schildern - mit all ihren fließenden Übergängen.

Vor seinem eigentlichen Festbeitrag vor weit über 200 Gästen im Homburger Forum machte Jahn im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich: "Mit Blick auf die DDR ist mir wichtig, dass nicht alles schwarz-weiß gesehen wird. Denn man kann nicht einfach sagen: ,Da sind die Täter, und da sind die Opfer'. Vielmehr geht es darum, auch differenziert zu betrachten, in welcher Situation Menschen so oder so gehandelt haben." Dabei sei gerade das Thema "Leben in der Diktatur zwischen Anpassung und Widerstand" eines, das ihn sehr stark beschäftige. "Hier ist es wichtig, dass genau darüber in den kommenden Jahren Diskussionen stattfinden. Weil wir begreifen wollen, wie Diktatur funktioniert." So scheine auch in der Diktatur die Sonne. "Dort ist nicht immer schlechtes Wetter. Auch in einer Diktatur gibt es ein Leben, das die Menschen gerne leben. Weil die Menschen es schaffen, auch in diesen Verhältnisse noch aufrecht zu gehen und ein Miteinander und ein beachtenswertes Selbstwertgefühl zu entwickeln."

Seine Arbeit als Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde sei so auch ein Kampf gegen plakative Schwarz-Weiß-Malerei. Jahn: "Ich möchte ein differenziertes Bild der DDR zeichnen, ich möchte Biografien zeichnen, die klar machen, dass man nicht einfach die Menschen in Täter- und Opfer-Schubladen einordnen kann. Denn oft sind die Grenzen fließend. Und wir dürfen uns es nicht so einfach machen, indem wir sagen: ,Ihr hättet anders handeln können'." So stehe für ihn nicht die Zuweisung der Schuld im Vordergrund, sondern die Frage nach der Ursache für diese Schuld. "Warum waren Menschen bereit, ihre Freunde zu verraten? Das sind Erkenntnisse, die uns selbst weiterbringen. Mein Leitsatz lautet: Je besser wir Diktatur begreifen, umso besser können wir Demokratie gestalten."

Gefragt, warum gerade er es gewesen sei, der, bei allem Hinterfragen der Ursachen, frühere Stasi-Mitarbeiter aus dem Dienst seiner Behörde entlassen hatte, sagte Jahn: "Es geht darum, die Empfindungen der Opfer ernst zu nehmen. Wir wollen ein Klima schaffen, das Versöhnung möglich macht. Das kann man aber nur, wenn man die Opfer auf diesem Weg mitnimmt. Das Ziel muss sein, vergeben zu können ohne zu vergessen."

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