Fünf Stunden bis zur Untersuchung

Saarbrücken/Völkingen · Von überfüllten Wartezimmern und sichtlich übermüdeten Ärzten in den Bereitschaftspraxen berichten Patienten nach Weihnachten. Die Kassenärztliche Vereinigung sieht aber zunächst keinen Handlungsbedarf.

Wer an Wochenenden oder Brückentagen krank wird, wenn der Hausarzt nicht da ist, bekommt im Saarland in einer von zwölf Bereitschaftsdienstpraxen Hilfe. Doch das kann mitunter dauern, hat Monika Renno aus Völklingen erfahren. Am Freitag, den 27. Dezember, einem Brückentag, rief sie um zwölf Uhr bei der Bereitschaftsdienstpraxis am Knappschaftsklinikum in Püttlingen an - wegen einer fiebrigen Erkältung wollte sie den Rat eines Arztes. "Mir wurde mitgeteilt, dass so viele Patienten auf ihre Behandlung warteten und nur ein Arzt zur Untersuchung zur Verfügung stehe", erzählt sie.

Gegen 14 Uhr betritt Renno die Praxis und lässt ihre Versichertenkarte einlesen. "Als ich die große Anzahl von kranken und wartenden Menschen gesehen habe, bin ich wieder nach Hause gefahren", sagt Renno. Drei Stunden später ist sie erneut in Püttlingen. "Nach einer weiteren Wartezeit wurde ich dann von einer nach meiner Ansicht total übermüdeten Ärztin sorgfältig abgehört."

Ähnliches hat das Ehepaar Voss aus Schiffweiler am gleichen Tag in der Bereitschaftsdienstpraxis am städtischen Klinikum Neunkirchen erlebt: "Wir sind erst nach über fünf Stunden Wartezeit an die Reihe gekommen." Familie Voss und Monika Renno machen jedoch nicht den Ärzten einen Vorwurf, sondern suchen den Fehler im System. Renno schreibt an die Kassenärztliche Vereinigung des Saarlandes (KVS): "Da gehören einfach mehr Ärzte hin." Was geschieht mit Leuten, die noch älter und kränker sind und nicht mehr selbst den Weg zur Praxis fahren können, fragt sie sich und fordert: "Schaffen Sie bald Abhilfe im Sinne der Patienten."

Am 27. Dezember seien unerwartet viele Menschen in die Bereitschaftsdienstzentren gekommen, bestätigt die KV Saar. "Wir nehmen das ernst und prüfen die Ursachen", sagt KV-Vorstandsvorsitzender Dr. Gunter Hauptmann. "Von den Hausärzten, die ihre Praxen geöffnet hatten, höre ich, dass auch sie am 27. Dezember extrem viel Betrieb hatten", sagt er. Gerade in der Gegend um Püttlingen habe es in der Zeit auffallend viele Magen-Darm-Beschwerden gegeben. Lange Wartezeiten gebe es aber auch beim Hausarzt, wenn man kurzfristig die Praxis aufsucht.

"Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es ein relativ großer Aufwand ist, wenn man an einem Brückentag krank wird. Die Hauptsache ist, dass Frau Renno nicht abgefertigt worden ist, sondern, wie sie selbst schreibt, sorgfältig behandelt wurde", meint Hauptmann. Für bettlägerige, pflegebedürftige oder gehbehinderte Personen gebe es in jeder Bereitschaftsdienstpraxis einen Fahrdienst, der zu ihnen nach Hause kommt. "Das ist natürlich ebenfalls mit Wartezeit verbunden", sagt Hauptmann.

Für den Vorstandsvorsitzenden ist die Situation am 27. Dezember eine Ausnahme. Die Zahl der Ärzte in den Bereitschaftsdienstzentren aufzustocken, könne sich die KVS wegen einer Spitze nicht erlauben. "Wenn sich dieser Zustand einbürgert, dann müssen wir natürlich reagieren", betont Hauptmann. Doch werde es schon jetzt immer schwieriger, die unbeliebten Praxisdienste zu besetzen. "Wir Ärzte werden weniger und über 65-Jährige können sich vom Bereitschaftsdienst befreien lassen", nennt Hauptmann ein Problem. Die KV suche händeringend Nachwuchs. "Die erste Frage, die viele Kandidaten stellen, lautet: wie viele Bereitschaftsdienste muss ich leisten?", sagt Hauptmann. Gleichzeitig kämen immer mehr Patienten in die Bereitschaftspraxen: Waren es 2012 pro Quartal rund 16 000 Patienten, waren es im vergangenen Jahr bereits 18 000. "Woran das liegt, wissen wir noch nicht", sagt Hauptmann.

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