Frost bringt Zwangspause am BauArbeiter haben Anspruch auf Schutz vor den Gefahren des Winters

Saarbrücken. Steinhart ist der sonst weiche Sandboden. Die Pflastersteine, die zu einem Haufen aufeinander getürmt wurden, sind derart aneinander festgefroren, dass man Bärenkräfte bräuchte, um einen von ihnen loszureißen. Bagger und Planierraupen sind von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Wo bis vor Kurzem noch Lärm herrschte, ist es nun still

Saarbrücken. Steinhart ist der sonst weiche Sandboden. Die Pflastersteine, die zu einem Haufen aufeinander getürmt wurden, sind derart aneinander festgefroren, dass man Bärenkräfte bräuchte, um einen von ihnen loszureißen. Bagger und Planierraupen sind von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Wo bis vor Kurzem noch Lärm herrschte, ist es nun still. Wo für gewöhnlich Männer in orangefarbenen Warnwesten ihrer Arbeit nachgehen, ist nun kein Mensch zu sehen. Verwaist ist nicht nur die Großbaustelle am Ostspangenkreisel. Auch andernorts sorgen die eisigen Temperaturen für eine Zwangspause am Bau. "Im Rohbau kann man im Moment nichts machen", erklärt Saarbrückens Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer. Denn bei Minustemperaturen funktionierten die chemischen Prozesse - etwa beim Kleben oder Gießen - nicht richtig, was zu Schäden führen könne. "Die meisten Materialien lassen sich nur bis plus fünf Grad Celsius schadenfrei verarbeiten", berichtet Wandel-Hoefer. Auch die Gewährleistung der meisten Hersteller gelte nur bis zu dieser Temperatur. Pausieren müssten daher momentan auch die Arbeiter, die am ECE-Center bauen, das aus der alten Saar Galerie und der ehemaligen Bergwerksdirektion entstehen soll. Kurzarbeit fährt nach Auskunft des Unternehmens auch die an der Baustelle Walters Eck tätige Modernbau GmbH. Sind die Bauarbeiten weiter fortgeschritten, ist man weniger von den Launen des Wetters abhängig. Wandel-Hoefer: "Im Innenbereich kann man mit einer Baubeheizung für Frostfreiheit sorgen."Auch Trockenmontagen seien während Kälteperioden möglich. Doch auch im Innenbau wird es bei Minusgraden ungemütlich. Und die Gefahr, dass Materialien bei der Verarbeitung Schaden nehmen, ist vielen Bauunternehmen zu groß. Sie fürchten Reklamationen und legen daher lieber eine Winterpause ein. So auch Klaus Berger, Inhaber der Berger & Sohn GmbH. "Bei uns wird zurzeit nicht gearbeitet", berichtet Berger. Um die Zeit zu überbrücken, bekämen die Mitarbeiter Schlechtwettergeld. Die staatliche Hilfe jedoch liege nur bei etwa 60 Prozent des normalen Lohns. So werden die Bauarbeiter froh sein, wenn sich die weiße Pracht wieder verabschiedet. Regionalverband. Sie gehören zu den kältesten Arbeitsplätzen im Regionalverband - die Jobs auf den Winterbaustellen. Damit aus dem Frost-Job kein Frust-Job wird, pocht die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) auf warme Schutzkleidung und wintersichere Baustellen. "Wer bei Minustemperaturen Mauern hochzieht und auf Gerüste klettert, muss gut gegen Kälte, Schnee und Eis geschützt werden", erklärt Heiner Weber, der Bezirksverbandsvorsitzende der IG BAU Saar-Trier. Dies sei kein Geschenk der Arbeitgeber. Weber: "Jeder Arbeiter hat das Recht, dass seine Gesundheit geschützt wird." Schnee, Frost, Glätte - eine Winterbaustelle hat es in sich. Weber: "Gute Schutzkleidung wie Handschuhe, Jacken und Stiefel gegen die Kälte sind Pflicht. Der Arbeitgeber muss sie jedem Mitarbeiter zur Verfügung stellen." Außerdem müssten Schutzräume auf den Baustellen installiert werden, wo die Beschäftigten sich bei einem heißen Getränk aufwärmen können. Weber: "Ein paar Tage bei zugiger Luft und nasser Kälte, das haut den stärksten Bauarbeiter um." Mindestens ein einfacher Wetterschutz wie ein winddichtes Zelt sei auch an Werkzeugen wie Säge und Betonmischer vorgeschrieben. Noch gefährlicher sei es, wenn Eis und Schnee die Baustelle zur Rutschbahn machen. Weber: "Die Kollegen können stürzen. Ihnen rutschen die Werkzeuge aus der Hand." Daher müsse der Arbeitgeber dafür sorgen, dass Wege und Werkzeuge von Eis und Schnee befreit werden. Unter dem Motto "Lass dich nicht verbrennen - erst recht nicht im Winter" will die IG BAU in diesem Jahr verstärkt für den Arbeiterschutz auf Winterbaustellen im Regionalverband Saarbrücken kämpfen - und fordert die Beschäftigten auf, Verstöße umgehend bei der Gewerkschaft zu melden. Weber: "Natürlich sind wir froh, wenn das Baugewerbe auch im Winter gute Geschäfte macht. Aber wer einen Extragewinn auf Kosten der Gesundheit seiner Beschäftigten einfahren will, dem kann ich nur sagen: nicht mit uns!" rae "Die meisten Materialien lassen sich nur bis plus fünf Grad Celsius schadenfrei verarbeiten"Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer

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