"Frauenhäuser sind leider immer noch wichtig" Ein Problem aller Schichten

Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) sammelte im Frauenhaus Saarbrücken erste Berufserfahrungen. Darüber sprach sie mit SZ-Mitarbeiterin Alexandra Raetzer. Welche Funktion hatten Sie im Frauenhaus?Charlotte Britz: Es war 1984 meine erste berufliche Station als Sozialarbeiterin, ich habe dort mein Anerkennungsjahr verbracht

Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) sammelte im Frauenhaus Saarbrücken erste Berufserfahrungen. Darüber sprach sie mit SZ-Mitarbeiterin Alexandra Raetzer. Welche Funktion hatten Sie im Frauenhaus?

Charlotte Britz: Es war 1984 meine erste berufliche Station als Sozialarbeiterin, ich habe dort mein Anerkennungsjahr verbracht.

Wie haben Sie die Arbeit dort damals erlebt?

Britz: Die Schicksale der Frauen haben mir klar gemacht, wie wichtig Bildung, Ausbildung und Beruf sind, um selbstbestimmt und unabhängig leben zu können. Zahlreiche Frauen haben die schrecklichen Taten ihrer Partner nur deshalb viel zu lange über sich ergehen lassen, da sie sich von ihrem Mann abhängig fühlten. Zudem ist mir seither klar, dass Gewalt gegen Frauen ein Problem ist, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht.

Welche Bedeutung hat das Frauenhaus heute, was hat sich seit Ihrer Zeit geändert?

Britz: Die Mitarbeiterinnen leisten heute wie damals wichtige Arbeit. Ich denke, häusliche Gewalt ist heute nicht mehr ein Tabu-Thema, wie es das damals war. Das ist gut. Saarbrücken. Frauenhäuser seien ein "Hort des Männerhasses" zitierte die Zeitung "Die Welt" kürzlich den Soziologie-Professor Gerhard Amendt und ließ im Internet über die Frage abstimmen "Gehören Frauenhäuser abgeschafft?".

"Unglaublich" findet das Petra Messinger, die Frauenbeauftragte der Landeshauptstadt Saarbrücken, die in einer Rundmail dazu aufrief, sich an der Umfrage zu beteiligen. "Frauenhäuser sind heute leider immer noch genauso wichtig wie zur Zeit ihrer Gründung", sagt Ines Reimann-Matheis. Als Abteilungsleiterin bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) ist sie für die drei saarländischen Frauenhäuser der Awo in Saarbrücken, Neunkirchen und Saarlouis zuständig. 30 Jahre ist es her, dass das Frauenhaus Saarbrücken, die größte der drei Einrichtungen, eröffnet wurde. "Seitdem fanden im Frauenhaus Saarbrücken rund 3100 Frauen und 4300 Kinder Zuflucht und Hilfe", berichtet Ines Reimann-Matheis. Von einer Entspannung der Situation könne also nicht die Rede sein - obwohl sich in den letzten drei Jahrzehnten viel getan habe. "Als das Frauenhaus Saarbrücken 1979 gegründet wurde, war Gewalt gegen Frauen noch ein Tabuthema. " Seit 2004 gebe es mit dem Gewaltschutzgesetz eine juristische Grundlage, die ein härteres Vorgehen gegen Männer ermöglicht, die ihre Frauen misshandeln. Doch obwohl das Gesetz der Polizei die Möglichkeit gebe, gewalttätigen (Ehe-)Partnern einen Platzverweis auszusprechen und sie aus der gemeinsamen Wohnung zu entfernen, seien die Frauenhäuser voll belegt: "Die 31 Zimmer mit kleiner integrierter Küche, die im Frauenhaus Saarbrücken zur Verfügung stehen, sind zurzeit alle belegt", berichtet Reimann-Matheis. "Die Frauen, die zu uns kommen, haben oft sehr schwere körperliche Gewalt erfahren, aber auch sexuelle und psychische Gewalt. Es ist erschütternd, wie lange manche Frauen das ertragen." Manche seien über 60, ehe sie sich zu einer Trennung von ihrem Partner durchringen könnten. Die Gründe dafür seien "so vielfältig wie die Probleme, die in einer Beziehung entstehen können", sagt Ines Reimann-Matheis. "Da ist immer die Hoffnung, dass es wieder besser wird, zum Beispiel wenn der Mann wieder eine Arbeit findet oder aufhört, zu trinken." Doch diese Hoffnung erfüllt sich meist nicht. Die Unterkunftskosten werden für Frauen, die über kein oder kein ausreichendes Einkommen verfügen, von öffentlichen Kostenträgern übernommen. Männer haben zum Frauenhaus keinen Zutritt. Eine Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich sorgt dafür, dass die Bewohnerinnen keine Angst vor ihrem gewalttätigen Partner haben müssen. Drei Vollzeit- und eine halbzeitbeschäftigte Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiterinnen übernehmen die fachliche Betreuung der Frauen. Für die Betreuung der Kinder ist eine Erzieherin zuständig.

Auf einen Blick

In der Landesgeschäftsstelle der Arbeiterwohlfahrt, Hohenzollernstr. 43, ist bis 7. Juli täglich die Ausstellung "Rosenstr. 76 - Häusliche Gewalt überwinden" zu sehen. Bei ihrer Eröffnung am Freitag wurde die langjährige Leiterin des Frauenhauses Traudl Clare in den Ruhestand verabschiedet. rae

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