Frau W., Herr K. und die Stasi-Akten auf dem Flur

Saarbrücken. Erster Stock, Amtsgericht Saarbrücken, 15.30 Uhr. Die Angestellte mit Rollwagen steht in der Nähe von Sitzungssaal 103. Sie fragt in ein Büro: "Was haben die denn veranstaltet?" "Ach, die Linken", ruft eine Stimme aus dem Büro auf den Flur zurück. "Deshalb habe ich was von Stasi-Akten gehört."Sitzungsaal 103, 14

Saarbrücken. Erster Stock, Amtsgericht Saarbrücken, 15.30 Uhr. Die Angestellte mit Rollwagen steht in der Nähe von Sitzungssaal 103. Sie fragt in ein Büro: "Was haben die denn veranstaltet?" "Ach, die Linken", ruft eine Stimme aus dem Büro auf den Flur zurück. "Deshalb habe ich was von Stasi-Akten gehört."Sitzungsaal 103, 14.30 Uhr: Fast 30 Zuhörer und ein Kamera-Team drängen sich dort. Die Richterin eröffnet die Verhandlung über einen angeblichen Nazi-Vergleich des Linken-Mitglieds Gilbert Kallenborn (Foto: Privat). Eine Verhandlung, deren Entscheidung wenig später auf den 10. August vertagt werden wird. Ein Gerichtstermin, der zu diesem Zeitpunkt bereits nur eine Randnotiz ist. Linken-Abgeordnete Birgit Huonker (Foto: Privat) wehrt sich in dem Verfahren gegen eine einstweilige Verfügung von Anfang Juli. 250 000 Euro Ordnungsgeld drohen ihr, wenn sie behaupten sollte, Kallenborn hätte Linken-Landeschef Linsler mit NS-Propagandaminister Goebbels verglichen.

Der eigentliche Klärungsprozess des Tages findet vor laufender Kamera auf dem Flur statt. Parteikritiker Kallenborn hatte in den Tagen zuvor die DDR-Vergangenheit von Birgit Huonker hinterfragt. Huonker ist nach eigenen Angaben 1984, mit 22 Jahren, nach Westdeutschland gekommen. In E-Mails mutmaßte Kallenborn, dass unklar sei, was sie in der DDR getrieben habe. Angehängt waren Teile der Stasi-Akte Huonkers aus einem Partei-Schiedsverfahren. Sie hatte ihren Mädchennamen Weber aus "privaten Gründen" geschwärzt. Kallenborn: "Nur Täter schwärzen ihren Namen."

Sitzungsaal 103 ist leer. Der Flur voller Menschen. Auf einem kleinen Tischchen breitet Huonker seitenweise ihre Stasi-Akte aus. Die Kamera filmt das Tischchen, die Papiere. Huonkers Stimme bebt, als sie sagt: "Ich habe überhaupt keine Stasivergangenheit, das ist eine Unverschämtheit." Sie will rechtliche Schritte einleiten. In der Akte heißt es unter anderem: "Die W. besitzt eine feindlich-negative Einstellung zur DDR und verherrlicht die westlichen Verhältnisse."

Gilbert Kallenborn steht später allein auf dem Flur als er sagt, dass er sich nun an die "Verbände tatsächlicher Stasiopfer wenden" will. Die Stasi-Akte von Birgit Huonker heißt "OV Student". OV wie Operativer Vorgang. Dass Kallenborn dort IM - wie Inoffizieller Mitarbeiter - gelesen habe, sei "versehentlich" passiert.

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