Pro & Contra Sozialer Druck auf Impfunwillige Darf Politik zu „sozialem Druck“ auf Impfmuffel aufrufen - Für & Wider

Saarbrücken · Die Äußerung von Saar-Ministerpräsident Tobias Hans zum „sozialen Druck“ auf Impfunwillige und der Kommentar dazu wurden in den sozialen Netzwerken bereits kontrovers diskutiert. SZ-Redakteurin Esther Brenner plädiert ebenfalls für eine härtere Gangart. SZ-Redakteur Oliver Schwambach hält dagegen.

Die Bereitschaft sich gegen Corona impfen zu lassen schwächelt in Deutschland: Vom Ziel der Herdenimmunität ist man noch weit entfernt. Ist es daher legitim „sozialen Druck“ auf Impfunwillige auszuüben, wie Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) es fordert?

Die Bereitschaft sich gegen Corona impfen zu lassen schwächelt in Deutschland: Vom Ziel der Herdenimmunität ist man noch weit entfernt. Ist es daher legitim „sozialen Druck“ auf Impfunwillige auszuüben, wie Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) es fordert?

Foto: dpa/Sven Hoppe

Pro Sozialer Druck auf Impfunwillige

Wer unsolidarisch ist, muss sozialen Druck aushalten

Die einen kämpfen um ihre Erst- und Zweitimpftermine. Andere beschäftigen sich gar nicht mehr mit dem Thema Corona, verpassen wertvolle Impf-Termine, sehen sich nicht in der Pflicht oder weigern sich schlichtweg. Sie machen ihre geimpften Mitmenschen zur „dummen Mehrheit“, die das unbestreitbar vorhandene, wenn auch minimale Impfrisiko auf sich nimmt. Aus Selbstschutz, aber auch aus Solidarität mit allen anderen. So zeigt sich soziale Verantwortung. Sie ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.

Wenn Impfmuffel nun zunehmend sozialen Druck verspüren,  dann ist das höchste Zeit! Denn sie entziehen sich ihrer sozialen Verantwortung und wälzen das Risiko einer Corona-Infektion weiterhin auf die ab, die (noch) nicht geimpft werden können (Kinder unter 12 Jahren) oder auch nicht unbedingt geimpft werden müssten, wenn mindestens Zweidrittel der erwachsenen Bevölkerung sozial verantwortlich handeln würde.

Statt sie zu sanktionieren, umwirbt man diese doch erstaunlich große Gruppe, die es mit ihrer Entscheidung pro oder contra die Impfung in der Hand hat, ob die Pandemie besiegt wird oder nicht. Die Leidtragenden dieses unsolidarischen Verhaltens sind weiterhin die Jüngsten und vor allem die Jugendlichen, die sich nun zunehmend genötigt sehen, sich impfen zu lassen, um wieder mehr Freiheiten zu haben. Sie sind es, die seit 16 Monaten unter enormem sozialen Druck stehen!

Ministerpräsident Tobias Hans hat völlig recht: Sozialer Druck auf Impfunwillige ist legitim. Wir haben uns in Deutschland gegen eine Corona-Impfpflicht entschieden. Wer auf mündige Bürger setzt, darf, ja muss sie daher mit den Folgen ihres Handelns konfrontieren und Druck machen: Es ist egoistisch und unsolidarisch, die Impfung zu verweigern. Esther Brenner

Contra Sozialer Druck auf Impfunwillige

Andere Meinungen muss man aushalten

Soziale Verantwortung ist das eine. Dazu aufzurufen, „sozialen Druck“ auf Mitmenschen auszuüben, aber etwas völlig anderes. Ja, Politik darf, kann und muss sogar an die soziale Verantwortung jedes einzelnen Bürgers appellieren, sich gegen Corona impfen zu lassen. Weil es eben eine schlichte Rechnung ist: Je mehr Menschen sich per Impfungen vor dem tückischen Virus schützen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir alle zu unserem Leben vor der Pandemie zurückkehren können. Und das funktioniert eben nur mit einer großen Masse an vollständig Geimpften.

Doch mit dem sicher gut gemeinten, aber schlecht gedachten Rat, man müsse jetzt halt mal den sozialen Druck auf Impfunwillige erhöhen, appellieren Ministerpräsident Tobias Hans und etliche seiner Parteifreunde eben gerade nicht an den Verstand der Zögernden. Stattdessen soll die Bevölkerung Druck auf diese Unentschlossenen machen. Die sollen sich dann bedrängt fühlen. Sich am Ende impfen lassen nicht aus Überzeugung, sondern damit sie nicht von Freunden, Nachbarn und Kollegen scheel angeguckt werden. Und das, obwohl die Corona-Schutzimpfung nach wie vor freiwillig ist. Fragt sich nur, warum man dann nicht versucht, eine gesetzliche Regelung anzustreben, sprich eine Impfpflicht? Die Kanzlerin hat gerade wieder klar gesagt: Eine Impfpflicht wird es nicht geben. Gleichzeitig ruft ihr Parteifreund im Saarland nach „sozialen Druck“. Wer kennt sich da noch aus? 

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich selbst habe längst meine zweite Impfung intus und versuche auch jeden Impfzauderer, der mir begegnet, zu überzeugen, sich doch impfen zu lassen. Aber eben mit Argumenten, nicht mit sozialer Abgrenzung. Denn Demokratie bedeutet nach wie vor, sich mit der Meinung anderen auseinanderzusetzen – und sie auszuhalten.   Oliver Schwambach

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort