Flug nach Rio als zweite Chance

Saarbrücken. Den Wechsel von Erfolg, sozialem Abstieg und jetzt wieder Glück hat Savas Bayraktar am eigenen Leib erfahren. Einst spielte er in einer Jugendmannschaft in Saarbrücken-Brebach Fußball, war ein erfolgreicher Spieler, sein Fußballverein stieg auf in die Oberliga. Doch dann geriet sein Leben außer Kontrolle

 Den Ball fest im Blick: Savas Bayraktar spielt im September bei der WM der Wohnungslosen in Rio de Janeiro mit. Foto: Iris Mauer

Den Ball fest im Blick: Savas Bayraktar spielt im September bei der WM der Wohnungslosen in Rio de Janeiro mit. Foto: Iris Mauer

Saarbrücken. Den Wechsel von Erfolg, sozialem Abstieg und jetzt wieder Glück hat Savas Bayraktar am eigenen Leib erfahren. Einst spielte er in einer Jugendmannschaft in Saarbrücken-Brebach Fußball, war ein erfolgreicher Spieler, sein Fußballverein stieg auf in die Oberliga. Doch dann geriet sein Leben außer Kontrolle. Er verlor seinen Job in der Baubranche, die Wohnung, begann Drogen zu nehmen und lebte über Monate auf der Straße. Heute lebt der 33-Jährige im Bruder-Konrad-Haus (BKH) in Saarbrücken, einem Wohnheim der Caritas für wohnungslose Männer. Doch plötzlich winkte wieder das Glück: Vor einigen Wochen erfährt er, dass er am 19. September im deutschen Nationalteam bei der Weltmeisterschaft der Wohnungslosen in Rio de Janeiro mitspielen soll. Ein Straßenfußball-Turnier, an dem Wohnungslose aus 56 Nationen teilnehmen.Von Nominierung überraschtErfahren hatte er das Ende Juli in Hamburg, als Bayraktar in einem Fußball-Team des BKH bei der Deutschen Meisterschaft der Wohnungslosen mitspielte. Dort wurde er zu seiner "völligen Überraschung" für die Nationalmannschaft der Wohnungslosen aufgestellt. "Ich fühle mich sehr geehrt, dass mich der Bundestrainer ausgewählt hat", sagt Bayraktar. Den Trainer Stefan Huhn hat Bayraktar auch schon kurz kennengelernt. Ihm und den anderen Auswahlspielern habe der prophezeit: "Wir werden viel Spaß in Brasilien haben." Viel Zeit hatte er noch nicht, seine Mitspieler näher kennenzulernen. Noch am Abend der Nominierung musste Bayraktar mit dem BKH-Team wieder zurück nach Saarbrücken. Fiebert er denn schon dem Straßenfußball-Ereignis an der Copacabana entgegen? Bayraktar nickt. Manchmal habe er regelrecht ein Kribbeln im Bauch. Anfang September und dann noch einmal kurz vor dem Abflug werden Bayraktar und seine Teamkollegen in einem Trainingslager in Hamburg und in einer anderen deutschen Stadt, die noch nicht fest steht, fit für die WM gemacht. Das wird er gut gebrauchen können, zumal er jetzt noch nicht intensiv trainieren kann: Er hat sich vor kurzem am linken Knie verletzt. Bernhard Pinter, Betreuer der saarländischen Wohnungslosen-Fußballmannschaft, wird deshalb jetzt speziell mit ihm die Ausdauer trainieren. Eltern sind mächtig stolz Glaubt er, dass die Teilnahme an der Fußball-WM der Wohnungslosen ihm zu einer neuen Fußballer-Karriere verhelfen kann? Er hofft es. Sicher ist ihm jedenfalls schon mal der Stolz seiner Eltern. Sie leben zusammen mit Bayraktars Geschwistern und dessen fünfjähriger Tochter in Saarbücken-Brebach. Die Beziehung zu seiner Familie hat sich verbessert, seit er vor zwei Monaten Alkohol und Drogen abgeschworen hat. Inzwischen besucht er sie fast jedes Wochenende. "Ich liebe meine Familie über alles. Jetzt ist wieder alles auf dem richtigen Weg", sagt er. Über Monate hatte er die Beziehung zu seiner Tochter vernachlässigt. Grund dafür waren vor allem seine Drogenprobleme. "Die Drogen haben so ziemlich alles kaputt gemacht, was mir lieb und wichtig war", sagt er. Fast nach einem Bekenntnis hört es sich an, als er sagt: "Ich will wieder mehr Verantwortung übernehmen." Nicht nur für sein eigenes Leben, sondern auch für das seiner Tochter, sagt er. Die Aufstellung für die Fußball-WM der Wohnungslosen, sie hat ganz offenbar seinen Kampfgeist geweckt - auch außerhalb des Spielfeldes.

HINTERGRUNDDie Fußball-WM der Wohnungslosen vom 19. bis 26. September in Rio de Janeiro wird von der brasilianischen Regierung, städtischen Stiftungen und lokalen Sponsoren finanziert. Der Verein Anstoß Bundesvereinigung für soziale Integration durch Sport organisiert die deutsche Beteiligung an der Fußball-WM der Wohnungslosen. Er finanziert mit Unterstützung der "Aktion Mensch" sowie den Stiftungen "Gemeinsam gegen Kälte" und "Ethecon" die zwei Trainingslager und Flüge für die Spieler. bera

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