Betroffene widersprechen Bildungsministerium Lehrer-Unmut über befristete Verträge

Saarbrücken · Den Betroffenen macht die oft fehlende Perspektive an Schulen im Saarland zunehmend zu schaffen.

 Eine Lehrerin schreibt an eine Tafel – eine alltägliche Szene im Klassenzimmer. Doch zum Schulalltag gehören auch befristete Verträge. Im Saarland berichten junge Lehrer aufgrund fehlender langfristiger Jobaussichten von Existenzängsten.

Eine Lehrerin schreibt an eine Tafel – eine alltägliche Szene im Klassenzimmer. Doch zum Schulalltag gehören auch befristete Verträge. Im Saarland berichten junge Lehrer aufgrund fehlender langfristiger Jobaussichten von Existenzängsten.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Groß war die Hoffnung von Janine Weiß (Name und Schulort geändert), weiter an der Gemeinschaftsschule in Saarbrücken unterrichten zu dürfen, als sogar der Schulleiter sich mit einem Brief beim Bildungsministerium für sie einsetzte. „Ich war bereits seit anderthalb Jahren an der Schule und hatte in dieser Zeit fünf befristete Verträge“, erzählt die junge Lehrerin. Sie habe dort Projekte ins Leben gerufen, sollte aufgrund ihrer Zusatzqualifikation „Deutsch als Fremdsprache“ eine Flüchtlingsklasse übernehmen.

Doch obwohl das Ministerium dem Schulleiter eine positive Rückmeldung gab, sei sie an eine andere Schule versetzt worden – ebenfalls wieder befristet. Weiß hat das zweite Staatsexamen mit guten Noten abgeschlossen. Doch nach fünf Jahren im saarländischen Schuldienst hat sie – nachdem man ihr zuletzt wieder eine Stelle befristet auf fünf Monate angeboten hat – nun einen anderen Beruf ergriffen. „Natürlich möchte ich an die Schule zurück. Die Arbeit mit den Kindern macht mir Spaß“, sagt sie.

Ihrer Erfahrung nach gehe es vielen jungen Lehrern wie ihr. „Befristete Verträge für Lehrer sind nicht die Ausnahme“, sagt Weiß und widerspricht somit der Darstellung des Bildungsministeriums (SZ vom 2. Juli 2018), im Saarland sei nur ein kleiner Teil der Lehrer befristet beschäftigt. Anfang Juli hätten 311 der 9351 Lehrer eine befristete Stelle gehabt. Das seien 3,3 Prozent, was dem Wert in den Vorjahren entspreche. In fast allen Fällen habe es sich um Vertretungen für Mutterschutz oder Elternzeit gehandelt. Kettenverträge mit sachgrundloser Befristung gebe es nicht.

Rechne man die Zahl der Befristungen hoch auf die Gesamtzahl der Lehrer im Saarland, sei der Anteil natürlich sehr gering, räumt Weiß ein. Ihrem Eindruck nach gelte dies für Neueinstellungen jedoch nicht: „Als ich an der neuen Schule angefangen habe, waren vier von fünf neuen Kollegen befristet angestellt“, sagt sie.

Wie das Ministerium auf SZ-Anfrage mitteilt, waren im Schuljahr 2017/18 von den 567 Einstellungen 256 unbefristet und 311 befristet (siehe Info). „Diese Zahlen dürfen nicht den falschen Eindruck erwecken, wir wollten aus Kostengründen über die Hälfte nur befristet einstellen“, betont Ministeriumssprecherin Marija Herceg. Alle Stellen zur Abdeckung des strukturellen Bedarfs würden unbefristet besetzt. „Die befristeten Stellen sind zusätzliche Stellen, um Lücken auszugleichen, die etwa durch einen zeitlich befristeten Ausfall etwa durch Mutterschutz, Elternzeit oder Krankheit entstehen.“ In diesen Fällen dürfe das Land gar nicht unbefristet einstellen.

Je nach Schulform gebe es Unterschiede. An Grundschulen würden alle Bewerber mit entsprechender Ausbildung für die Primarstufe unbefristet eingestellt. Da jedoch in jüngster Zeit der Bedarf höher war als die Bewerberzahl, wurden Lehrer anderer Schulformen hier „naturgemäß befristet“ eingestellt. Befristungen seien in der Regel nur vorübergehend: Im neuen Schuljahr 2018/19 würden an Gemeinschaftsschulen und Gymnasien rund ein Drittel der im vergangenen Jahr befristet eingestellten Lehrer fest übernommen.

Die Befristungen machten vielen jungen Lehrern zu schaffen, sagt Janine Weiß: „Ich kenne sehr viele, die von dieser Situation betroffen sind. Sie haben Existenzängste, wie sie nach Vertragsende ihre Miete zahlen sollen.“ Eine Familienplanung sei so auch nicht denkbar. Viele, die gerne im Saarland bleiben würden, versuchten schließlich anderswo ihr Glück. Einmal habe ihr befristeter Vertrag zum Jahresende geendet. Ihr sei angeboten worden, einen Arbeitsvertrag über das Paritätische Bildungswerk abzuschließen, zwei Stunden mehr zu arbeiten – aber zwei Entgeltgruppen niedriger. Auf ihre Nachfrage hin, wer denn die Klasse ab Januar übernehme, habe es geheißen: „Wir haben schon jemanden.“ Dass dies offenbar nicht der Fall war, zeigte sich eine Woche nach Ende der Winterferien: „Ich war eine Woche arbeitslos und habe dann die Klasse wieder übernommen“, sagt sie.

Dass Weiß nicht die Einzige ist, zeigen Kommentare auf Facebook. Darin kritisieren Lehrer auch die Art der Stellenvergabe. „Leider berücksichtigt das Auswahlverfahren nicht, ob man an einer Schule gebraucht wird, weil man Aufgaben übernommen und sich durch Engagement bewiesen hat“, schreibt eine Lehrerin. Bewerbe sich jemand, dessen Abschlussnote 0,1 Prozent besser sei, bekomme dieser den Zuschlag. „So bekommen Leute ohne Berufserfahrung die Stelle, Lehrer, die seit Jahren an der Schule sind, gehen leer aus“, sagt auch Weiß.

Das Bildungsministerium teilt mit, dass es bei Einstellungen eine Rangliste erstellt, die auf dem Notendurchschnitt aus erstem und zweitem Staatsexamen basiert. Befristet angestellte Lehrer könnten ihre Einstellungsnote verbessern, pro vollem Beschäftigungsmonat um 0,1 Punkte, höchstens jedoch um 3,0 Punkte, sofern die Schulleitung bescheinigt, dass sie sich bewährt haben. „Das stimmt“, räumt Weiß ein. Doch das Verfahren, die Bewährung festzustellen, sei für die Schulen sehr zeitintensiv. Die Schulleitung müsse den Unterricht besuchen und bewerten. Für sie ist das System der Stellenvergabe nicht mehr zeitgemäß: „Etwa in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben Schulleiter viel mehr Mitspracherecht und können Empfehlungen aussprechen. Das bräuchten wir auch hier.“

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