Bucherscheinung Experte sieht Bevölkerungswandel positiv

Saarbrücken · Der Ökonom Thomas Straubhaar betrachtet die Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft als Chance.

 Thomas  Straubhaar

Thomas Straubhaar

Foto: picture alliance / dpa/Daniel Reinhardt

Die demografische Situation in Deutschland verändert sich stark: Die Bevölkerung schrumpft, die Menschen werden älter als früher, gleichzeitig gibt es mehr Zuwanderer. Von vielen wird diese Entwicklung negativ gesehen. Vielfach gelesen: Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“.

Thomas Straubhaar will diesen Thesen etwas entgegensetzen. Sie waren die Motivation für sein Buch „Der Untergang ist abgesagt – Wider die Mythen des demografischen Wandels“, über das der Volkswirtschaftsprofessor und Direktor des Europa-Kollegs Hamburg in der Stiftung Demokratie Saarland referierte. Für ihn bietet der Wandel neue Möglichkeiten, individuelle und gesellschaftliche Verhaltensweisen zu ändern, wirtschaftliche und politische Strukturen anzupassen.

Zehn Mythen analysierte Straubhaar und entlarvte sie als falsch. So fragte er sich, ob die Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft tatsächlich dem Wohlstand schade. Seine Antwort: Nein, „weil je weniger Menschen da sind, desto mehr Infrastruktur pro Kopf gibt es, Qualität kann sich auf weniger Menschen konzentrieren und wird so besser.“ Nein, weil der Alterungseffekt sich durch die Alten von Morgen selbst behebe, „denn sie bleiben länger produktiv“. Staubhaars Forderung daher: „Wir brauchen nicht mehr Alters- und Pflegeheime, sondern andere, in denen Ältere noch aktiv sein können.“ Arbeit könne durch Projekte für ältere Mitbürger interessant gestaltet werden.

Dass Deutschland mehr Zuwanderung brauche und mehr Vielfalt besser sei, unterstütze er bis zu einem gewissen Maße. „Die ökonomischen Auswirkungen der Zuwanderung dürfen aber nicht unterschätzt werden.“ Das gelte im Positiven wie im Negativen. Fachkräfte gezielt ins Land zu holen, könne nicht funktionieren. Das sei naiv. „Ein indischer Programmierer macht seine Tätigkeit vielleicht zwei Jahre und entscheidet sich danach, etwas anderes zu tun. Das ist sein gutes Recht“, sagt Straubhaar.

Durch die Vielfalt könne das Gemeinsame verloren gehen, ebenso eine einheitliche Wertebasis. Thilo Sarrazins These, Deutschland schaffe sich ab, konterte er aber mit dem „Zeugen-Jehovas-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2000. Das Gericht befand, dass das Grundgesetz Maßstab aller Dinge sei und als Verhaltenskodex diene. Eine besondere Staatsloyalität, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich von den Türken in Deutschland forderte, sei nicht notwendig.

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