Neues Top-Restaurant in Saarbrücken Der schönste Platz ist immer an der Theke
Saarbücken · Spitzenkoch Jens Jakob will’s nochmal wissen – im neuen Mini-Restaurant „Le Comptoir“ in Saarbrücken. Nur mit seinen beiden Kompagnons Peter Wirbel und David Christian und hohem Anspruch.
Jens Jakob ist der Stehauf-Typ unter den Spitzenköchen. In aberwitzigem Tempo kocht er sich mit seinem Saarbrücker Restaurant „Le Noir“ zum ersten und gleich darauf zum zweiten Michelin-Stern. Gastrokritiker schwärmen, der Laden brummt. Doch Jakob will mehr, zieht in der Mainzer Straße ein paar Meter weiter ins Hotel „Leidinger“. Die Sterne sind damit perdu, weil sie dem Haus, nicht dem Koch gelten. Doch das Unerwartete tritt eint: Der Guide Michelin krönt auch das neue „Le Noir“ wieder mit zwei Sternen. Was aber macht der abermals hoch Gelobte? Der pfeift auf die Auszeichnung. Weil ihm alles irgendwie zu viel wird. Neuer Anlauf also, mit weniger Aufwand. Doch wieder adelt ihn die Feinschmeckerbibel. Nur, es läuft nicht rund, persönliche Nackenschläge häufen sich, schließlich Privatinsolvenz. Jens Jakob braucht eine Auszeit. Der markante Kahlkopf, der leicht als Zwilling von Action-Star Jason Statham durchginge (und zur Not wohl auch die Tür an der nächstbesten Disco übernehmen könnte), hat sich mit 45 schon so viel zugemutet, dass es für drei Leben reichte.
Jetzt aber hat er sich neu erfunden. Oder „endlich gefunden“, wie er sagt. Knapp 20 Kilogramm schlanker radelt er jetzt morgens zu seinem neuen Restaurant „Le Comptoir“ in die Försterstraße im Nauwieser Viertel, statt wie früher im fetten SUV vorzufahren. Früher kam er auch als Chef. Nun muss sich der Spitzenkoch noch in die Rolle als Einer von Dreien finden. Auch wenn er wohl doch der Primus inter pares ist. Schon weil er dem Rest des „Comptoir“-Trios, Peter Wirbel (33) und David Christian (32), eine halbe Generation voraus hat. Im Saarbrücker Szene-Quartier sind sie seit September jetzt drei Mann für alle Fälle: Geschäftsführer, Köche und Mädchen für alles sind Christian, Jakob und Wirbel. „Abends poliere ich noch Gläser“, lacht Jakob. Jede Pommes-Bude hat mehr Personal. Auch wenn als Herrin über Zahlen und Bücher im Hintergrund noch Nora Christian, Davids Mutter, über die Männer-Wirtschaft wacht.
Der Name „Le Comptoir“ (französisch für Theke oder Tresen) ist Programm. Angerichtet, serviert und gegessen wird an der Eck-Theke, dem prägenden Mobiliar. Rund ein Dutzend Gäste haben daran Platz. Mehr wollen (und schaffen) Jakob & Co. auch nicht. Abends hat man keine große Wahl: Es gibt genau eine Menü, wahlweise zu vier oder fünf Gängen (67/77 Euro). Einmal pro Monat wechselt die Speisenfolge. Klingt spatanisch, schmeckt aber gewiss köstlich, wenn das kulinarische Dreigestirn etwa ein Filet Wellington dekonstruiert und aus den einzelnen Komponenten Neues kreiert. „Französisch gehoben“, skizziert Jakob den Kochstil. Mittags fällt das Angebot schlichter aus, aber umfangreicher. Das reicht dann vom Löwenzahnsalat mit pochiertem Ei bis zu Filet Stroganoff oder Entenbrust. Klassiker sind auch hier Trumpf – zu Preisen von 22 bis 28 Euro. Dann serviere man auch an den vier Tischen des Lokals. „Schon weil Geschäftsleute beim Essen, wenn sie was besprechen, Diskretion haben wollen“, erklärt Jakob. Was also ist der Spirit des „Comptoir“? Reduktion aufs Wesentliche, klar. Und: „Transparenz schaffen“, meint Jakob. Über’n Tresen schaut man ja den drei Küchenkerls nicht nur beim Koch-Finish zu, man kann auch mit ihnen plaudern, darüber, was auf die Teller kommt, Warenkunde inklusive, „Kommunikation ist erwünscht“. „Chef-Table“ nennt man das sonst in der Gastronomie vollmundig, wenn Gäste dem jeweiligen Maestro auf die Löffel und in die Töpfe gucken dürfen. Bloß, dass hier das ganze Restaurant aus einem einzigen Chef-Tresen besteht.
Das Selbst-ist-der-Mann-Credo im neuen Laden kommt natürlich nicht von ungefähr. Einer der Gründe, warum Jakob mit seinem letzten Restaurant finanziell in die Knie ging, seien extrem hohe Personalkosten gewesen. „50 Prozent machte das im ,Le Noir“ aus“, sagt er. Zudem finde man kaum noch gute Leute für die Spitzengastronomie. „Küchenchefs gibt’s jede Menge, aber für den zweiten und dritten Platz, findet man kaum jemanden. Alle in der Branche jammern, nur kaum einer will zugeben, wie er kämpfen muss“, klagt er.
Und seit das Finanzamt bei der Abrechnung von Geschäftsessen genauer hinschaut, sind den Edelköchen auch noch ihre besten Kunden abhanden gekommen. „Top-Gastronomie mit einem privat finanzierten Restaurant geht eigentlich gar nicht mehr. Entweder man hat einen dicken Sponsor im Hintergrund oder man muss halt Events machen“, sagt Jakob. Der gerne auch die Bad-Boy-Attitüde pflegt, wenn er Klartext redet. Das lässt ja interessante Gespräch am Kochtresen erwarten. Zumal schon die Weinkarte auf Krawall gebürstet ist; die Weißweine heißen „Terrorist“ (ein Sauvignon blanc) oder Bullshit“ (beide vom Weingut Emil Bauer in Nußdorf). Wohl bekomm’s!
Trotz Personal-Radikal-Diät bleibe aber ja der Anspruch beim Kochen. „Wenn man Arzt ist, will man ja auch nicht als Arzthelfer arbeiten“, meint Wirbel. Also hat das Trio alles „Überflüssige“ weggelassen, das ganze sonstige Chichi in der Top-Gastronomie, die Honneurs, um sich aufs Kochen konzentrieren zu können. Trotzdem ist das „Comptoir“ ein Lokal, in dem man sich auf Anhieb wohl fühlt. Und zu gucken gibt es auch auf den paar wenigen Quadratmetern genug, schon weil von der einstigen Bäckerei, die über Jahre leer stand, noch manches gusseiserne Relikt blieb – wie etwa die Ofenklappen. Das alte Gemäuer aber wurde mit viel Liebe restauriert. „Die Besitzerin hat quasi für uns renoviert“, sagt Jakob, der das alte Ladenlokal schon seit Jahren für ein Gastroprojekt im Auge hatte.
Aber ob das auf Dauer gut gehen kann – so mit den drei Mann in einem Boot? „Wir haben ja schon im „Le Noir“ über Jahre zusammen gearbeitet, entgegnet Jakob. Doch wie ist das für ihn, den Chef-sein-Gewohnten, der mal 39 Mitarbeiter hatte, wenn er jetzt schnippeln muss? „Ein guter Küchenchef spült auch“, sagt er. Und: „Ich fühle mich jetzt wieder, zuletzt im ‚Leidinger’ wusste ich manchmal nicht mehr, was meine Rolle ist.“ Ein wieder zufriedener Koch also, noch besser, deren drei, dann sollte auch das Essen schmecken.