EU-Jugendprojekt vor dem AusZahl der Schulabbrecher sinkt

Saarbrücken. Gar kein oder ein schlechter Schulabschluss, keine Lehrstelle, keine Perspektive und irgendwann Hartz IV. Dieses Horrorszenario verhindern und mithelfen, dass mehr Jugendliche im Regionalverband nach der Schule schnell einen Ausbildungsplatz finden, war vier Jahre lang die Aufgabe von Claudia Barth, Projektleiterin des Koordinierungsbüros Saarbrücken (KoSa)

Saarbrücken. Gar kein oder ein schlechter Schulabschluss, keine Lehrstelle, keine Perspektive und irgendwann Hartz IV. Dieses Horrorszenario verhindern und mithelfen, dass mehr Jugendliche im Regionalverband nach der Schule schnell einen Ausbildungsplatz finden, war vier Jahre lang die Aufgabe von Claudia Barth, Projektleiterin des Koordinierungsbüros Saarbrücken (KoSa). Sie hat mit ihren Mitarbeitern Ministerien, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Schulen, Unternehmensverbände, Migrantenorganisationen und Bildungseinrichtungen zusammengebracht, die vorher nebeneinander her gearbeitet hätten. Doch nun soll alles vorbei sein?Am 30. Juni sei erstmal Schluss, das Projekt laufe aus, der Europäische Sozialfonds zahle kein Geld mehr, sagt Barth in ihrem Büro und sieht dabei traurig aus. Denn sie habe mit ihren Mitarbeitern nicht nur alle wichtigen Arbeitsmarkt-Akteure an einen Tisch gebracht, sondern auch den Dschungel der vielen Angebote für Jugendliche gelichtet. "Die Schulen hatten ja selbst keinen Überblick", sagt die Projektleiterin. KoSa hat eine Online-Datenbank mit allen Angeboten aufgebaut und einen Wegweiser "Startklar" herausgebracht. Der zeigt auf einen Blick den Weg und die Angebote zur Berufsvorbereitung und Förderung von Jugendlichen, die keinen Schulabschluss haben. Dank der Initiative von KoSa und des Landes sei es gelungen, dass jetzt an jeder weiterführenden Schule den Jugendlichen eine "Berufsorientierung" angeboten werde - auch an den Gymnasien, berichtet Barth. Mit dem Landesprogramm "Zukunft konkret" seien auch verpflichtende Schulpraktika eingeführt worden. An harten Zahlen kann sie die Erfolge des Projekts aber nicht festmachen, weil Daten fehlten.

Was Barth nicht versteht: Zwar gebe es eine Berufsschulpflicht im Saarland, die werde aber nicht kontrolliert. So werde nicht festgestellt, welche Schüler nach dem Abgang von der Schule durchs Raster fallen, sagt Barth. "Andere Bundesländer erfassen, welcher Schüler sich wo gemeldet hat. Das wird dort mit den Daten der Schulen abgeglichen." Besonders intensiv kümmerte sich das Team um junge Einwanderer. 16 Mitglieder von Migrantenorganisationen bildeten sie zu ehrenamtlichen Bildungsbeauftragten aus. "Sie kennen die Probleme der Migranten, haben auch Kontakt zu den Eltern, kannten aber die Hilfsangebote nicht", erklärt Barth. Das hat sich geändert. Nun können sie die Jugendlichen intensiv beraten - auch über die duale Ausbildung in Schule und Betrieb, die viele Migranten gar nicht kennen. Barth: "Die Bildungsbeauftragten bauen Brücken." KoSa gelang es nach ihren Angaben, Vertreter von Kammern und Arbeitsbehörden mit den Migranten zusammenzubringen. Das Ziel müsse sein, den Jugendlichen zu helfen, bevor sie auf Hilfe von Arbeitsagentur, Jobcenter oder Jugendamt angewiesen sind. Das Ergebnis einer KoSa-Befragung stimmt sie hoffnungsfroh: Demnach gebe es keinen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Misserfolg in der Schule. Sie forderte die Personalchefs in Unternehmen auf, mehr Migranten einzustellen.

Wie geht es jetzt weiter? Regionalverbands-Sprecher Stefan Kiefer teilt mit, Verwaltungschef Peter Gillo (SPD) diskutiere derzeit mit den Fraktionen in der Regionalversammlung, ob und wie viel Geld sie für KoSa im Haushalt bereitstellen würden.

Kosten bisher: 290 000 Euro pro Jahr, wobei Bund und Europäischer Sozialfonds 162 000 Euro übernahmen und der Regionalverband den Rest, erklärt Kiefer. In diesem Umfang werde KoSa aber höchstwahrscheinlich nicht weiterarbeiten, die Kosten wären also niedriger.Saarbrücken. Die Zahl der Schulabbrecher ohne Hauptschulabschluss ist nach Angaben des Bildungsministeriums in den vergangenen Jahren gesunken. Im Sommer 2011 waren es 483 Schüler. Das entspricht 4,8 Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe, erklärt das Ministerium: "Bundesweit hat das Saarland damit eine der niedrigsten Abbrecherquoten." Von den 483 Abbrechern hatten 86 einen ausländischen Pass, die meisten gingen auf eine Förderschule oder Erweiterte Realschule. Daten für die Landkreise und den Regionalverband hat das Ministerium nicht.

Zu der Kritik, dass die Berufsschulpflicht im Gegensatz zu anderen Bundesländern im Saarland nicht kontrolliert werde, teilte das Ministerium mit, in den 1980er Jahren habe es Kontrollen gegeben, der bürokratische Aufwand sei aber zu groß gewesen. Hartz-IV-Empfänger müssten beim Jobcenter nachweisen, dass sie ihrer Berufsschulpflicht nachkommen. Die große Koalition habe sich in ihrem Vertrag verpflichtet, jeden Jugendlichen in Ausbildung zu bringen. sm

"Die Schulen hatten ja selbst keinen Überblick."

Projektleiterin

Claudia Barth

Meinung

Test für die große Koalition

Von SZ-RedakteurMarkus Saeftel

 Harun Kilic ist einer der Bildungsbeauftragten, die Migranten im Regionalverband beraten. Foto: Iris Maurer

Harun Kilic ist einer der Bildungsbeauftragten, die Migranten im Regionalverband beraten. Foto: Iris Maurer

 Harun Kilic ist einer der Bildungsbeauftragten, die Migranten im Regionalverband beraten. Foto: Iris Maurer

Harun Kilic ist einer der Bildungsbeauftragten, die Migranten im Regionalverband beraten. Foto: Iris Maurer

In der Regionalversammlung und im Landtag regieren SPD und CDU. Da wäre es doch gelacht, wenn die Parteien keine Lösung finden, wie das Koordinierungsbüro Saarbrücken (KoSa) beim Regionalverband künftig finanziert werden soll. Jetzt kann die große Koalition ihren Worten Taten folgen lassen. Denn in den Koalitionsvertrag haben sie reingeschrieben, dass Jugendliche nach der Schule möglichst direkt eine Ausbildung beginnen sollen. Richtig. Denn sonst landen sie schnell in Hartz IV und kosten den Steuerzahler viel Geld. Um das zu verhindern, hat KoSa die vielen Arbeitsmarkt-Akteure an einen Tisch und Licht in den Angebote-Dschungel für Jugendliche und Schulen gebracht. Außerdem haben sich die Mitarbeiter intensiv um junge Einwanderer gekümmert, die das duale Ausbildungssystem aus Betrieb und Schule oft gar nicht kennen. Die Arbeit von KoSa war und ist wichtig und sollte, wenn auch mit weniger Personal, weitergehen.

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