„Es ist wichtig, dass wir gedenken“

Saarwellingen · Mit mehreren Veranstaltungen erinnert die Gemeinde Saarwellingen an die Reichspogromnacht vor 75 Jahren. Die Bevölkerung stehe heute hinter dem Bemühen, der früheren jüdischen Familien würdevoll zu gedenken, wird versichert.

 Gespräch mit Pastor Bernd Seibel, Richard Bermann, Klaus Mayer, Hans Peter Klauck und Michael Philippi (von links). Foto: Alt

Gespräch mit Pastor Bernd Seibel, Richard Bermann, Klaus Mayer, Hans Peter Klauck und Michael Philippi (von links). Foto: Alt

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Die Reichspogromnacht von 1938 jährt sich am 9. November zum 75. Mal. Sie markiert das Ende der jüdischen Tradition auch in Saarwellingen, wo nach Saarlouis die meisten Juden im Landkreis lebten. Die Erinnerung an die jüdische Gemeinde und die Ermordung und Vertreibung ihrer Mitglieder hat bereits selbst Tradition. In diesem Jahr stehen mehrere Veranstaltungen bevor.

Am Donnerstag begrüßte Bürgermeister Michael Philippi Gäste im Rathaus, unter ihnen Richard Bermann, den Vorsitzenden der Synagogengemeinde Saar - wenige Tage nach dem 10. Mai, dem Datum der Bücherverbrennung vor 80 Jahren. Und mit der Vorstellung eines neuen Buches der Familienforscher Hans Peter Klauck und Klaus Mayer am Sonntag, 26. Mai, (siehe Info) beginnen auch die Gedenkveranstaltungen. "Es ist wichtig, dass wir gedenken", sagte Bermann. Und weiter: "Es geht nicht um Schuldgefühle, sondern um Verantwortung, die wir tragen für die nachfolgenden Generationen. Lange Zeit ist die Behandlung des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte vertuscht und verdrängt worden und wird teilweise noch verdrängt. Die Gemeinde Saarwellingen bildet eine rühmliche Ausnahme, durch die relativ frühe Aufarbeitung der Geschichte und durch die Befassung mit dem ehemaligen jüdischen Leben im Ort."

Laut Klaus Mayer wanderten um 1670 die ersten so genannten Schutzjuden in die freie Reichsherrschaft Saarwellingen ein. Der Anteil der jüdischen Minderheit stieg zeitweise auf bis zu zehn Prozent der Bevölkerung. "1935 änderte sich alles; die Juden mussten ihre geliebte Heimat verlassen, die ihnen fremd geworden war." Zuvor hätten die christlichen und jüdischen Familien ohne Zwietracht und Streit zusammengelebt. Klauck zufolge werden in dem neuen Buch 2100 Einzelpersonen dokumentiert, zusätzlich seien verschiedene Zeugnisse und Episoden aufgenommen.

Er wies darauf hin, dass bei der nächsten Verlegung von Stolpersteinen mit dem Künstler Gunter Demnig am 30. August auch der ermordeten Sinti und Roma gedacht werde. Die Geschichtslehrerin Marlene Wagner kündigte ein Projekt der "Schule an der Waldwies" an. Der Künstler Mario Andruet plant eine Kunstaktion.

Bermann versicherte, die Synagogengemeinde Saar (1100 Mitglieder) sei eine offene Gemeinde, über 60 Führungen gebe es im Jahr, danach werde gerne mit den Gästen bei einem koscheren Wein diskutiert. Auf Nachfrage versicherten die Autoren Mayer und Klauck, sie seien bei den Recherchen auf Wohlwollen gestoßen. "Es gibt keine Reserviertheit, die Leute haben uns Bilder und anderes Material zur Verfügung gestellt", sagte Klauck. Die Saarwellinger Kulturmanagerin Cornelia Rohe bestätigte, dass ihr seit ihrem Amtsantritt 2001 keinerlei Beschwerden begegnet seien. Die Beschlussgremien hätten ebenfalls einmütig entschieden, die Erinnerung wach zu halten. Bermann ist sich sicher, das liege daran, dass "die jüdischen Menschen" eben sehr harmonisch mit den anderen zusammen gelebt hätten.

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Auf einen BlickDas Buch "Gelöst ist die Schnur - gebrochen das Band. Die jüdische Gemeinde Saarwellingen 1700-1940" umfasst 400 Seiten und kostet 19,90 Euro. Es wird am Sonntag, 26. Mai, um elf Uhr im Kulturtreff Altes Rathaus offiziell vorgestellt. Sebastian Wust und Martin Herrmann spielen dazu Lieder jüdischer Komponisten aus den 30er Jahren. In diesem Gedenkjahr folgen am 29. August das Kunstprojekt "Asche und Phönix" von Mario Andruet, am 30. August die Verlegung weiterer "Stolpersteine" und am 10. November eine Gedenkfeier mit der Kirchengemeinde. gal

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