Es blieben nur Schutt und Asche

Neunkirchen. Es war ein repräsentatives Stadthaus im Gründerzeitstil, das Familie Schmidt ab Mitte der Goldenen Zwanziger Jahre bewohnte. In der Bahnhofstraße 20 in Neunkirchen lebte sie im hinteren Gebäudeteil, vorn lagen Klempnerei und Wohnung des Hausbesitzers Theodor Kowatsch

Neunkirchen. Es war ein repräsentatives Stadthaus im Gründerzeitstil, das Familie Schmidt ab Mitte der Goldenen Zwanziger Jahre bewohnte. In der Bahnhofstraße 20 in Neunkirchen lebte sie im hinteren Gebäudeteil, vorn lagen Klempnerei und Wohnung des Hausbesitzers Theodor Kowatsch. 1933 wurde im "Kowatsche Haus" Reiner Schmidt geboren, der sich noch 79 Jahre später gut an sein Elternhaus erinnert. "Ich weiß noch genau, wie die Zimmer aufgeteilt waren. Ich wohnte dort mit meinen Eltern, bis ich elf Jahre alt war." Dann, im Januar 1945, fielen Bomben auf die Hüttenstadt - und auf sein Elternhaus."Wir waren nach dem alliierten Angriff total ausgebombt", erinnert sich Schmidt, dessen Familie sich zuvor in einen Luftschutzbunker in der nahen Wemmetsweiler Straße retten konnte. "Es war ja vorher Fliegeralarm gewesen." Als der elfjährige Reiner mit seiner Mutter Maria und seinem Vater Friedrich in die Bahnhofstraße zurückkehrte, "war nichts übrig, es blieben nur Schutt und Asche". Sein Elternhaus war Geschichte, nach nur wenigen Jahrzehnten.

"Erbaut wurde es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts", sagt Schmidt, der pensionierte Elektrotechniker und noch aktive Hüttenwegführer, der nach dem Krieg mit seinen Eltern nach Ludwigsthal zog und dort bis heute lebt. "Wie es nach 1945 in der Bahnhofstraße 20 weiterging, weiß ich nicht genau. Aber das Haus wurde wieder aufgebaut und verkauft. Erst war ein Lebensmittelgeschäft drin und heute ist es ja das Casino."

Besitzer des Vorgängerbaus war der Klempnermeister Theo Kowatsch, der für seinen Haushalt Anfang des 20. Jahrhunderts das Dienstmädchen Maria einstellte. Als 1925 eine Wohnung in seinem Haus frei wurde, bot er sie seiner Angestellten und ihrem Ehemann Friedrich Schmidt, der in einer Zimmerei arbeitete, an. "Meine Eltern zogen ein und 1933 kam ich dort im August zur Welt", erzählt der Sohn. "Also in dem Katastrophen-Jahr in Neunkirchen." Denn im Februar des Jahres erschütterte eine Explosion im Gasometer der Hütte die Stadt, es gab Tote und Verletzte, auch in der Bahnhofstraße. "Meine Mutter, die mit mir schwanger war, wurde bei der Erschütterung durch eine Tür geschleudert. Aber es ist ihr und mir nichts passiert."

Bis 1945 lebte die Familie unbeschadet in der Bahnhofstraße, durch die schon immer Autos und bis 1978 die Straßenbahn rumpelten. "Wir hatten eine kleine Wohnung, wie sie damals üblich war. Die Toilette war auf dem Gang, ein Bad gab es nicht. Samstags haben wir eine Zinkwanne von unten in unsere Wohnung getragen, zum Baden."

Nach der Zerstörung ihres Heims hatte Familie Schmidt Glück im Unglück. "Wir hatten nur einen Koffer bei uns, sonst war alles weg. Aber mein Vater hatte vorher ein Grundstück in Ludwigsthal gekauft." Darauf stand ein provisorisches Gartenhäuschen, in dem Schmidts unterkamen. Aus dem Häuschen entstand ein neues Zuhause, 1958 baute der Sohn gleich nebenan ein zweites Haus für seine Familie. Noch heute denkt Reiner Schmidt aber an sein Elternhaus in Neunkirchen. An "Kowatsche Haus", das einmal in der Bahnhofstraße stand.

Auf einen Blick

Wer wohnt noch in seinem Elternhaus? Oder wer lebt schon lange nicht mehr da, hat schöne Erinnerungen und alte Fotos von einem besonderen Elternhaus, das womöglich sogar verloren gegangen ist? Wer möchte uns etwas über sein Elternhaus erzählen? Gerne berichten wir in Wort und Bild. Wir freuen uns auf Ihre Anrufe und E-Mails: Telefon (0 68 21) 9 04 64 50, per E-Mail: rednk@sz-sb.de. red

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