Erbarmen, der Hesse kommt

Als ich mich neulich in einer Saarbrücker Kneipe mit meinem Mitbewohner an den Kickertisch wagte, war von saarländischer Gemütlichkeit plötzlich nichts mehr zu spüren: Kaum hatte ich hinten ein Tor gefangen, da trafen die versierten Gegner schon wieder

Als ich mich neulich in einer Saarbrücker Kneipe mit meinem Mitbewohner an den Kickertisch wagte, war von saarländischer Gemütlichkeit plötzlich nichts mehr zu spüren: Kaum hatte ich hinten ein Tor gefangen, da trafen die versierten Gegner schon wieder. Dabei habe ich in meiner mittelhessischen Heimat und anderswo schon so manches Match erfolgreich bestritten und hielt mich eigentlich für einen passablen Tischfußballer. Also nur einen schlechten Tag erwischt oder zu viel getrunken? Wohl kaum, denn an anderen Tagen und in anderen Kneipen rollte das Bällchen kaum besser. Ich muss zugeben: Die Saarländer sind im "Knack" einfach verdammt gut. Etwa 2500 von ihnen spielen hier in 65 Vereinen, das sind etwa so viele Spieler wie im gesamten restlichen Bundesgebiet.Seit kurzem können sich die Knacker sogar darüber freuen, dass ihre Leidenschaft offiziell als Sportart anerkannt wird - zurecht, denn das Spiel mit den Stangen kann durchaus so schweißtreibend sein wie Handball oder Leichtathletik. Und die Saarländer haben sich einige Eigenheiten erhalten: Ein Spieler darf hier offiziell 20 statt 15 Sekunden den Ball führen, und nach einem Tor spielt der Gegner aus der Abwehr heraus. Gerade deshalb soll es hierzulande auch besonders gute Knack-Verteidiger geben.

Ach ja, und dann gibt es da natürlich noch den Kult-Tisch des Saarlands, den original "Hansberg" mit schweren Gussmännchen und Teleskopstangen. Dass auf dem Hansberg die Bälle schon mal liegen bleiben oder merkwürdige Wege nehmen, daran muss ich mich noch gewöhnen - mancher Saarländer liebt ihn gerade deswegen.

Naja, ich werde die gusseisernen Jungs von der Stange schon noch zu lenken lernen. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Wartet nur ab! Irgendwann heißt es: Erbarmen, der Hesse kommt! Dann werde ich euch am Hansberg ordentlich einheizen und reihenweise Tore schießen. Aber so, wie es jetzt aussieht, werde ich bis dahin noch 100 Jahre Training brauchen - mindestens. . . Jonas Wissner ist in Gießen geboren und hat in Marburg und Leipzig studiert. Zurzeit führt ihn sein Volontariat täglich nach Merzig.

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