Er liebt das Theater - und Schuhe

Saarbrücken. Die Werkstatt von Thomas Seibold im Saarländischen Staatstheater: Hier hängt der Himmel nicht voller Geigen, sondern voller Schuhe. In sechs Metern Höhe baumeln Stiefel, Pumps und Co., in den Regalen links und rechts stapeln sich Straßenschuhe, Turnschuhe, Sandalen, Pumps. Schuhe, Schuhe, Schuhe, wohin man auch blickt

Saarbrücken. Die Werkstatt von Thomas Seibold im Saarländischen Staatstheater: Hier hängt der Himmel nicht voller Geigen, sondern voller Schuhe. In sechs Metern Höhe baumeln Stiefel, Pumps und Co., in den Regalen links und rechts stapeln sich Straßenschuhe, Turnschuhe, Sandalen, Pumps. Schuhe, Schuhe, Schuhe, wohin man auch blickt. Staunen lösen erhöhte Schuhe, sogenannte "Kothurnen", aus: Ursprünglich trugen diese Hohepriester, um näher bei Gott zu sein. "Sie sind ganz leicht", erklärt Thomas Seibold und holt die Treter aus dem Regal, "man kann sogar darin rennen. Nur umknicken darf man mit ihnen nicht." Thomas Seibold ist der Schuhmacher des Staatstheaters und der Herr dieses "geordneten Chaos'", wie er es selbst nennt. Eine treffende Formulierung, denn ganz zielsicher fischt Seibold aus dem Wirrwarr den gesuchten Schuh heraus. Seibold weiß eben immer, wo was liegt - oder hängt. Er liebt Schuhe, und etwa 500 von den tausenden Paaren, die er in seiner Werkstatt aufbewahrt, hat er selbst gemacht. Zum Beispiel die weißen Lackstiefel mit Raubtierfelleinsatz, vorne geschnürt, die bis zum Oberschenkel reichen - ein echter Hingucker in "Carmen". Oder die Hexenschuhe für die "Kleine Hexe", die mit den roten und 40 Zentimeter langen Schlappen laufen lernen musste. Gar nicht so einfach. Oder die roten Stiefel für die russische Kampfoper "Eis und Stahl". Oder mittelalterliche Kragenschuhe. Oder die Clownsschuhe. Oder die Schuhe für Pippi Langstrumpf, die die ihres Vaters trug - und die ihr zu groß waren.Auch Tierfüße stellt Seibold her - ob Krähenfuß, Pinguinflosse oder Wolfsklaue - immer gelingt dem Schuhmacher eine täuschend echte Nachbildung auf der Basis eines ganz einfachen Turnschuhs. Seibold näht noch von Hand, er macht neue Schuhe nach Maß oder baut gekaufte um, überzieht sie mit Stoff, bemalt, verfremdet. Stolz öffnet er die Tür eines Wandschranks, zeigt auf Schweineleder, das man an den winzigen Löchern erkennt, die von den Borsten herrühren. Rindleder dagegen habe eine Maserung, entstanden durch die im Halbkreis angeordneten Haare, sagt er. Leder in allen möglichen Formen und Farben, das ist Seibolds Schatztruhe. Zwei Tage braucht er für einen neuen Schuh, Leisten in allen Größen hat er in seiner Werkstatt liegen. Mit seiner Spezialmaschine kann er auch ganz feine Nähte sticheln. Sein Handwerk hat er vom Vater in Karlsruhe gelernt, der wiederum vom Großvater.Als Seibold vor 22 Jahren die Stelle als Schuhmacher im Staatstheater bekam, erfüllte sich für ihn ein Traum. "Theater - das ist meine Welt", schwärmt er, "und das Schönste: Man weiß nie, was kommt." Für Überraschungen ist Seibold also immer zu haben und auch für ausgefallene Ideen. "Zum Glück gibt es ganz selten ein Stück, in dem man barfuß geht", meint er lachend. Wenn der Kostümbildner zu ihm kommt, brüten die beiden über das passende Schuhwerk. Entweder muss der Schuh zum Kostüm passen - oder er ist der Hingucker, wichtiger noch als die restliche Körperbekleidung. Dann sind Seibolds ganze Fantasie und sein handwerkliches Können gefordert, dann schlägt seine Begeisterung Kapriolen. Ein Ergebnis sind beispielsweise die besagten weißen beinlangen Lackstiefel mit Fellbesatz

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