Endlich Argumente mit Gewicht

St. Ingbert. Wie sehr die geplanten Neuerungen bei der Müllabfuhr die St. Ingberter derzeit umtreibt, war am Dienstagabend im Sitzungssaal des Rathauses allenthalben spürbar

 Der EVS-Geschäftsführer Heribert Gisch (vorne Zweiter von rechts) wich in einer langen Debatte im St. Ingberter Rathaussaal keiner Frage der Bürger und Politiker zur Müllverwiegung aus. Foto: bub

Der EVS-Geschäftsführer Heribert Gisch (vorne Zweiter von rechts) wich in einer langen Debatte im St. Ingberter Rathaussaal keiner Frage der Bürger und Politiker zur Müllverwiegung aus. Foto: bub

St. Ingbert. Wie sehr die geplanten Neuerungen bei der Müllabfuhr die St. Ingberter derzeit umtreibt, war am Dienstagabend im Sitzungssaal des Rathauses allenthalben spürbar. Wohl noch nie hatte ein Stadtrats-Ausschuss solche Aufmerksamkeit erzielt: Dutzende Bürger hinten im Saal und auf der Galerie, eine demonstrativ vollbesetzte Verwaltungsbank und weit mehr Politiker in den Sitzungsbänken, als es bei formal gerade mal 15 Ausschussmitgliedern zu erwarten war. Alles Ausdruck einer gespannten Erwartung, was denn zur Müllverwiegung Neues zu hören wäre.

Von Anfang an wurde deutlich, wie sehr Stadt und der Entsorgungsverband Saar (EVS) nach wochenlangem Hin und Her um Informationen im Klartext bemüht waren. Keine Frage der Bürger und Fraktionen sollte ohne Antwort bleiben. Oberbürgermeister Georg Jung äußerte Verständnis für "Ängste und Bedenken der Bürger gegenüber dem neuen Abfuhr- und Gebührensystem".

Er sei aber überzeugt, dass die St. Ingberter durch das Müllverwiegen unterm Strich Geld sparen könnten. Auch Probewiegungen seit August zeigten, dass schon jetzt mehr als die Hälfte der St. Ingberter weniger Gebühren zahlten, gäbe es bereits das Wiegesystem.

Richtig in die Informationsoffensive ging dann Heribert Gisch. Der Geschäftsführer des EVS wich keiner Detail-Frage aus, verteidigte das neue Entsorgungssystem aber auch mit hemdsärmeligem Nachdruck durch Grundsätzliches: "Es gibt keine Gebührenerhöhung, aber eine neue Art der Gebührenermittlung: Unser neues System wird dem näher kommen, was ein Haushalt tatsächlich an Müll produziert." Eine Änderung des Entsorgungssystem sei im Saarland zwingend gewesen, unterstrich Gisch.

Alleine, weil die Saarländer weit mehr Restmüll entsorgten als im übrigen Bundesgebiet, habe der EVS nach Rahmengesetzen von Bund und Land reagieren müssen, um eine geforderte Müllreduzierung zu erreichen. Das geschehe ab 2011 mit zunächst zwei Alternativen: Mit dem Ident- oder dem Verwiege-System, für das sich St. Ingbert entschieden habe. "Wer die Anreize des Verwiege-Systems aktiv nutzt, wird sparen." Thomas Berrang (SPD) warf dem EVS vor, seine schlechte Kommunikation habe zu den Irritationen um die Müllverwiegung beigetragen: "Es wurde zu wenig getan, um ein Grundvertrauen der Bürger in das neue System zu schaffen." Darüber hinaus machten allerdings Gischs Erläuterungen in allen Fraktionen so viel Eindruck, dass über das Warum der Müllverwiegung nicht mehr gestritten und nur noch das Wie thematisiert wurde.

Aus den Reihen der Bürger gab es etliche Nachfragen, die zeigten, dass viele Einzelheiten der Müllverwiegung noch erklärungsbedürftig sind.

Die von der Stadt geplanten Bürgerversammlungen, aber auch ebenfalls angekündigtes Bürger-Telefon und eine weitere auf St. Ingbert zugeschnittene Broschüre müssen hier noch weitere Aufklärung schaffen. Zwei Themen liegen den Bürgern aber offenbar besonders am Herzen: So will ihnen nicht einleuchten, warum auch die Biotonne verwogen wird.

Und auch der Hinweis, dass Hausbiomüll und nicht Grünschnitt hineingehöre, war vielen neu. Ein Aufreger bleiben daneben die Tonnen-Schlösser und die dafür erhobene Gebühr. Hier riet Gisch den St. Ingbertern, erst mal abzuwarten, ob sie ein Schloss für die Mülltonnen wirklich brauchten, gab aber auch ein Signal an die Stadt: "St. Ingbert kann die EVS-Gebühr für die Tonnen-Schlösser ändern - aber aus städtischen Mitteln."

Meinung

Unmut schafft nötige Offenheit

Von SZ-Redakteur

Manfred Schetting

Es hat offensichtlich erst eines anhaltenden Bürgerprotestes bedurft, um EVS und Stadt zu zeigen, dass es längst Zeit gewesen wäre, den St. Ingbertern reinen Wein einzuschenken: Die Müllverwiegung kommt, sie ist nicht zu stoppen. Und sie ist keineswegs dummes Zeug, sondern in der Sache begründet, weil sie nach einer Umgewöhnung für die allermeisten St. Ingberter in der entscheidenden Frage der Gebührenhöhe echte Entlastung verspricht. Die Bürger können dennoch weiter dafür sorgen, Spielräume zu nutzen. Denn manche Einzelheit ist durchaus noch zu verbessern. Und Wachsamkeit wird dafür sorgen, dass die Informationsoffensive nicht wieder verpufft.

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