Reform der Saar-Kommunen Einsparungen durch mehr Zusammenarbeit nur eine Illusion?

Saarbrücken · Das Land fordert von den Kommunen mehr Kooperation. Doch ein Finanzwissenschaftler erwartet dadurch keine nennenswerten finanziellen Effekte.

 (Symbolbild)

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Foto: dpa/Patrick Seeger

Für die Bürger soll es einfachere und schnellere Behördengänge per Internet im virtuellen Rathaus geben, aber auch da und dort den Wegfall des örtlichen Standesamtes oder einer anderen Einrichtung: Viele der 52 Städte und Gemeinden im Land wollen ihre teils schon bestehenden Kooperationsprojekte mit anderen Kommunen vom E-Government bis hin zur Verkehrsüberwachung weiter ausbauen, um so möglichst Kosten zu sparen und ihre Leistungsqualität zu steigern. Doch ob das immer im gewünschten Maße gelingt und ganz im Interesse der Bürger ist, erscheint trotz etlicher Beispiele zumindest fraglich, wie ein Seminar des Saarländischen Städte- und Gemeindetages (SSGT) im Saarbrücker VHS-Zentrum zeigte.

Der SSGT-Präsident und Neunkircher Oberbürgermeister Jürgen Fried (SPD) sagte, es gebe schon jetzt mehr als 450 Kooperationsprojekte von Kommunen im Saarland, angefangen vom einfachen Erfahrungsaustausch bis hin zur Bildung von Zweckverbänden wie dem Entsorgungsverband Saar (EVS) und dem elektronischen Dienstleister eGo Saar mit der Plattform „Bürgerdienste Saar“. Fried warnte aber davor, das Thema Interkommunale Zusammenarbeit auf Druck des Landes übereilt anzugehen. „Die Hektik, die jetzt entstanden ist, ist nicht nötig“, sagte er. Auch der bald scheidende SSGT-Vize und Völklinger Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU) betonte, Kooperationen dürfe es laut Verfassung immer nur auf freiwilliger Basis geben. Große Einsparungen seien wohl für die Kommunen nicht zu erzielen, meinte Lorig. „Hauptziel sind Verwaltungsstraffung und Verwaltungsvereinfachung.“ Geschäftsführer Martin Luckas vom Landkreistag Saar
sagte, die Interkommunale Zusammenarbeit könne nicht die Lösung der kommunalen Finanznot im Saarland herbeiführen und eine Gebietsreform würde „im besten Fall nichts kosten“.

Der vom SSGT als Experte herangezogene Kasseler Finanzwissenschaftler Professor Ivo Bischoff nannte die Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) die „kleine Schwester der Gebietsreform“ und betonte: „Die IKZ ist nicht immer und überall sinnvoll.“ Es sei halt wie bei einer Ehe, nicht immer passe alles und jedes zusammen.

Die Landesregierung will bis zur Sommerpause ein Konzept für die IKZ erarbeiten. Von Überlegungen, die Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen gesetzlich vorzugeben, ist man aber abgerückt. Bischoff berichtete, eine Stichprobe unter 743 deutschen Gemeinden zwischen 1998 und 2011 habe als Fazit von eingegangenen Kooperationen ergeben: „Keine Reduktion der Durchschnittsausgaben“, sondern sogar 12 Euro Kosten mehr pro Einwohner. Verschuldete kooperierende Gemeinden müssten auf dem Kapitalmarkt oft noch höhere Zinsen zahlen als andere, weil die Banken einen Aufschlag verlangten. Und eine Effizienz bei gemeinsamer Steuererhebung kooperierender Gemeinden ergebe sich laut einer Studie in Holland erst ab 60 000 Einwohnern – einer Zahl, die im Saarland nur die Landeshauptstadt erfüllt. Ohne Kosteneinsparungen würden aber teils Qualitätsverbesserungen erreicht, die kooperierende Gemeinden auch attraktiver machen könnten.

Der Tholeyer Bürgermeister Hermann Josef Schmidt (CDU) und sein parteiloser Kollege Stefan Louis aus Bous berichteten über bereits laufende kreisweite Projekte zur IKZ in den Landkreisen Saarlouis und St. Wendel – insbesondere im Beschaffungswesen, beim Gebäudemanagement, der Personalabrechnung oder bei den Baubetriebshöfen und der Verkehrsüberwachung. Nicht alles sei aber günstiger geworden, meinte Schmidt. Und das Standesamt sei auch für seine Kommune mit dem Hofgut Imsbach als Heiratsschmiede ein wichtiger Standort und Wirtschaftsfaktor, den man nicht aufgeben wolle. Gut mache sich dagegen beispielsweise die Zusammenarbeit im Feuerwehrbereich des Kreises mit Fahrzeugbeschaffung und Atemschutz.

Der Püttlinger Bürgermeister Martin Speicher (CDU) listete die seit 2016 forcierte Interkommunale Zusammenarbeit im Köllertal auf und sah darin eine „große Chance zur Konsolidierung der Finanzen“ der drei dortigen Kommunen mit besorgniserregender Haushaltslage. „Wir wollen aber nicht, dass Riegelsberg, Heusweiler und Püttlingen ihre lokalen Identitäten und ihre Eigenständigkeit aufgeben“, sagte Speicher. Umstrittene Themen wie Bäder oder Musikschule würden deshalb auch bewusst nicht angesprochen.

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