Eingeschränkt von zu viel Freiheit
St Arnual · Gefangen zwischen Leistungsanspruch und Individualitätsdrang – so sieht Jungregisseur Jan Meyer seine Generation. Im Theater Überzwerg zeigt er am Wochenende zum Start des „Daarler Theatersommers“ sein neues Stück „Rasen mähen“.
So viel sei schon verraten: Für die Jüngeren ist "Rasen mähen" nichts. Sagt jedenfalls der Autor. "Ich hätte Skrupel, unter Zehnjährige in das Stück zu lassen", sagt Jan Meyer, Jahrgang 1989, über sein aktuelles Werk, das am Samstag im Rahmen des "Daarler Theatersommers" im Theater Überzwerg am Erich-Kästner-Platz aufgeführt wird. Zur Spätvorstellung, die am Sonntag ab 22.30 Uhr folgt, werden sich wohl sowieso keine Minderjährigen blicken lassen.
Vor beinahe einem Jahr noch schlug der dem Jugenclub des Theaters Überzwerg entstammende Meyer während des "Daarler Theatersommers" mit der Trashkomödie "Wüster Sand" vergleichsweise unbeschwerte Töne an. Absurde, aber komische Unterredungen lieferten sich die schrillen Figuren da. In "Rasen mähen", so erzählt der Regisseur, gehe er ganz anders heran: ein Schauspieler, ein Monolog, eine Stunde Spielzeit. Keine Komödie mehr. "Rasen mähen" sei die Befindlichkeitsbeschreibung eines Anfang 20-Jährigen, Generation "nach der Wende", gefangen zwischen Leistungsgesellschaft und Individualitätsdrang. Eingeschränkt - von zu viel Freiheit. "Man hat immer früher Leistung zu erbringen", so Meyer. "Abitur, Bachelor, Master, Job in der Wirtschaft", fasst er eine typische Vita zusammen, "will ich das überhaupt?". So werde sich "Rasen mähen" im Verlauf zu einer aufwühlenden, gar morbiden Selbstspiegelung zuspitzen - es stecke viel Persönliches darin.
Durch den Umzug nach Berlin zum Studium der Theaterwissenschaften erwachte Meyer 2010 in einer Blase aus Selbstanspruch und Schnelllebigkeit der Hauptstadt. Sich zurechtzufinden, dabei half ihm das Schreiben. 27 "merkwürdige Texte" entstanden während dieser Zeit, die "eigentlich nicht fürs Theater gedacht waren". Zu artifiziell sei die Sprache, zu sehr würden Probleme aufgezeigt, zu wenig würden klare Antworten gegeben. Die Zusammenarbeit mit Berliner Weggefährten, dem Lichtdesigner Chris Markert und dem Tontechniker Gero Beckmann, gaben Meyer die Sicherheit, diese Texte als Regisseur auf die Bühne zu bringen. "Chris Markert versteht, was ich meine und holt selbst mit nur acht Scheinwerfern unheimlich viel heraus", sagt Meyer. Einfache Mittel, große Atmosphäre. Gero Beckmanns musikalische Untermalung in Gestalt von elektronischen Musiksamples würden "Rasen mähen" dann zum "performativen Gesamtwerk" vollenden.
Zeit zum Ausspannen bleibt Jan Meyer trotz Semesterferien nicht viel - seinem nächsten Bühnenstück verpasst er gerade den Feinschliff: "Josefines Gesang", eine Dramatisierung von Kafkas Erzählung "Das Volk der Mäuse", die am 29. August im Theater im Viertel uraufgeführt wird.