Eine Maus plumpst ins Leben

St. Wendel. Es ist stockdunkel und mucksmäuschenstill im Mia-Münster-Haus. 100 Kinder und Erwachsene warten gespannt auf "die springende Maus", eines der sieben Figurentheaterstücke, die an diesem Wochenende im Rahmen der 13. St. Wendeler Figurentheatertage über die Bühne gingen.Plötzlich erhellen zwei Scheinwerfer die Bühne. Ein großes altes Buch steht auf einem Tisch

 Wolfgang Tietz mit der springenden Maus und dem Wolf am Medizinsee. Foto: mat

Wolfgang Tietz mit der springenden Maus und dem Wolf am Medizinsee. Foto: mat

St. Wendel. Es ist stockdunkel und mucksmäuschenstill im Mia-Münster-Haus. 100 Kinder und Erwachsene warten gespannt auf "die springende Maus", eines der sieben Figurentheaterstücke, die an diesem Wochenende im Rahmen der 13. St. Wendeler Figurentheatertage über die Bühne gingen.Plötzlich erhellen zwei Scheinwerfer die Bühne. Ein großes altes Buch steht auf einem Tisch. Der Solospieler Wolfgang Tietz vom Figurentheater Regenbogen bereitet die Zuschauer auf sein Erzähltheater vor. Geheimnisvoll blättert er in seinem Buch und beginnt mit den Worten, "wie alle Märchen beginnen." Leise erwidern eine Hand voll Kinder "Es war einmal ...". "Richtig", freut sich der Erzähler und ergänzt: "Es war einmal, na ja, sagen wir - es war einmal ein Mäuserich." Und sogleich taucht eine Maus auf den Seiten des Märchenbuches auf. Sie schnüffelt und schmatzt auf den Händen von Wolfgang Tietz. Die Geräusche sind "selbst gemacht", die Stimme der Maus elegant imitiert.Die Maus ist auf der Suche nach einem donnernden Brausen, das sie vernommen hat. Ein sandfarbenes Tuch bildet die Prärie, in der sie lebt und wo sie auf einen Waschbären trifft. Der kann ihr aber nicht weiterhelfen. Ein Frosch mit Berliner Dialekt taucht aus einem mit hellblauen Seidenschals demonstrierten Fluss auf. Er wirft die Maus im wahrsten Sinne des Wortes in kaltes Wasser - eine Katastrophe. "Du bist gerade ins Leben geplumpst", verrät er dem wasserscheuen Tier und öffnet ihm damit die Augen. Die Kinder lachen über den Dialog mit dem lustigen Tier in Grün. Der Dialekt-Künstler trägt seinen Teil durch sprachlich korrektes und schnelles Wechseln der Stimmarten bei, verleiht ihnen damit besondere Charaktere. Auf ihrer Reise begegnet die Maus immer wieder neuem Land und noch nie erlebten Dingen. Geräusche sind geheimnisvoll, die anderen Tierfreunde etwas Besonderes.Die Wende folgt unerwartet: Nach dem Tauchgang möchte der Mäuserich zum heiligen Berg, setzt seine Reise fort und trifft auf einen Büffel: "Ich bin krank und werde sterben. Nur das Auge einer Maus kann mir helfen", klagt er. Das Nagetier opfert sich aus Liebe: "Du darfst nicht sterben. Nimm eines meiner Augen."Trommelrhythmen begleiten die mittlerweile nur noch einäugige Maus zum Ziel, dem heiligen Berg. Der Wind pfeift und es ist kühl. Auf dem Gipfel wartet ein Wolf. Dieser droht ebenfalls zu sterben und bittet die Maus um Medizin. "Wenn ich nun auch noch mein zweites Auge gebe, dann kann ich nichts mehr sehen", jammert der Nager. Und doch schenkt sie dem Wolf schweren Herzens ihr letztes Sehvermögen. Trotzdem wünscht sich die Maus so sehr ihre scharfen Augen wieder. "Geh mit deinem Herzen zum Ziel", ist der Rat, der ihr Mut machen soll. Sie springt in einen hellblau erleuchteten See und steigt als Adler wieder empor. "Diese ist eine meiner ältesten Geschichten. Sie entstand, nachdem ich sie von einem roten Mann erzählt bekam", sagt Wolfgang Tietz nach der Vorstellung zur SZ. "Sie ist tief in der indianischen Geschichte verankert und spiegelt das Kreisdenken wider: Es gibt immer wieder einen Anfang."

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