"Eine historische Chance"

Herr Arns, niedrige Zinsen für Darlehen verlocken zum Immobilienkauf. Worauf ist dabei besonders zu achten? Arns: Die historische Niedrigzinsphase bietet die Möglichkeit höherer Tilgungsleistungen. In Zeiten normaler oder hoher Zinsen war den Kreditnehmern oft nur eine Tilgung von einem Prozent zuzüglich ersparter Zinsen über eine Annuitätsrate möglich

Herr Arns, niedrige Zinsen für Darlehen verlocken zum Immobilienkauf. Worauf ist dabei besonders zu achten?

Arns: Die historische Niedrigzinsphase bietet die Möglichkeit höherer Tilgungsleistungen. In Zeiten normaler oder hoher Zinsen war den Kreditnehmern oft nur eine Tilgung von einem Prozent zuzüglich ersparter Zinsen über eine Annuitätsrate möglich. Jetzt sind bei gleicher Rate mindestens zwei oder drei Prozent drin. Was man also an Zinsen spart, sollte man direkt in die Tilgung stecken. Das ist das Wichtigste momentan. Denn es bedeutet, den Kredit um Jahre früher abzubezahlen. Niemand sollte sich verführen lassen von einer niedrigen Monatsrate, die bei nur einem Prozent Tilgung entsteht. Das wird mir der Bankberater sicher so empfehlen?

Arns: Der Bankberater hat andere Präferenzen. Er verkauft ein Produkt oder mehrere, und das gegebenenfalls rein aus Provisionsgründen. Banken sind Profit-Center, keine Sozialinstitute. Beratung muss also nicht unbedingt Bestberatung im Sinne des Kunden sein. Bankinteresse ist, dass die Zinsen bei einer guten Marge möglichst lange und gleich hoch bezahlt werden und andere Finanzprodukte an den Mann oder Frau gebracht werden.

Wenn der Berater sagt: So viel zahlen Sie bei ein Prozent Tilgung, und so viel bei 1,5 Prozent, dann bitte ich ihn also gleich um den Betrag für zwei oder 2,5 Prozent?

Arns: Unbedingt. Und immer fragen, wie lange die Laufzeit bei den unterschiedlichen Tilgungssätzen ist. Das ist ja entscheidend. Der Kreditnehmer sollte sich also nicht von der monatlich sehr geringen Belastung locken lassen, die derzeit möglich ist. Er soll schauen, was die Haushaltskasse auf Dauer hergibt und den Betrag ganz verwenden, um so schnell wie möglich fertig zu werden. Eine historische Chance, die sich allein aus der Euro-Krise ergibt, und die genutzt werden sollte. Ich erinnere hier nochmals an die lastenfreie Immobilie im Alter.

Welche Laufzeit empfiehlt sich?

Arns: Die Zins-Laufzeiten sind in der Regel fünf, 15, 20 Jahre. Es gibt dabei nur unwesentliche und heute bezahlbare Unterschiede in den Zinssätzen, die sich zu überprüfen lohnen. So liegt zurzeit der Bestsatz für ein Ia-Darlehen - bei einem 60-prozentigen Beleihungsauslauf - derzeit um 2,5 Prozent für eine zehnjährige Bindung. Ein Ausstieg ist nach zehn Jahren nach BGB immer ohne Schaden mit Kündigung möglich, auch wenn die ursprüngliche Zinsbindung länger vereinbart war. Da die Konditionen derzeit gut sind, ist also eine längere Bindung anzuraten. Ist der Marktzins nach zehn Jahren höher, droht keine Anpassung, und man lehnt sich genüsslich zurück. Ansonsten kündigt man den Kredit und vereinbart neu.

Soll ich Möglichkeiten zur Sondertilgung aushandeln?

Arns: Unbedingt. Jährlich fünf oder zehn Prozent der Darlehenssumme. Und zwar auch, wenn ich den Betrag gar nicht in Anspruch nehmen kann. Falls ich den Kredit nämlich vorzeitig ablösen will, etwa beim Hausverkauf, oder um einen neuen, günstigeren Kredit aufzunehmen, dann wird wegen Vertragsbruch eine Vorfälligkeitsentschädigung fällig. Berechnungsgrundlage ist die verbliebene Darlehenssumme mit weiterem Tilgungsverlauf: vereinbarte Sondertilgungen verringern die Entschädigung. Letzteres macht richtig was aus. Die Banken akzeptieren Sondertilgungsmöglichkeiten in der Niedrigzinsphase ohne größere Diskussionen immer dann, wenn die Aussicht besteht, das Geld wieder profitabler verleihen zu können. Auch aus Konkurrenzgründen haben sich Sondertilgungsmöglichkeiten eingebürgert.

Angenommen, mein Kreditvertrag läuft noch ein paar Jahre, und er ist zu relativ guten Konditionen abgeschlossen. Lohnt es sich, ihn jetzt vorzeitig abzulösen und neu abzuschließen?

Arns: Pauschal kann man das nicht sagen. Grundsätzlich gilt, dass ich mir jetzt eine längerfristige Zinsbindung verschaffen kann. 15, 20 Jahre. Das ist, wie gesagt, heute viel günstiger als früher. Muss ich also für, zum Beispiel, drei Jahre Vorfälligkeit bezahlen und kann mir dafür aber das historisch niedrige Zinsniveau sichern, auf 15, 20 Jahre fest, dann kann sich das durchaus rechnen.

Wie sieht das aus Perspektive der Bank aus?

Arns: Wenn ich den Vertrag vorzeitig auflösen möchte, löse ich oftmals die Geschäftsbindung ganz, aber auf jeden Fall das Vertragsverhältnis, auf. Ich könnte zu einer anderen Bank gehen. Ich wäre dort Neukunde und bekäme - Bonität vorausgesetzt, das ist wichtig - den Bestsatz. Ich kann aber auch meiner bisherigen Bank antragen, mich nun wie einen Neukunden zu behandeln. Man kann dann vorschlagen: Ihr bietet mir nicht den Bestzinssatz wie einem Neukunden mit guter Bonität an, also nicht zum Beispiel 2,5 Prozent, sondern einen Tick drüber, etwa 2,75 Prozent, und dafür fällt keine oder eine geringere Vorfälligkeit an. Aber das ist nur was für gute Verhandler. Bei langfristigen Zinsbindungen ist eine Vereinbarung über Sondertilgungsmöglichkeiten besonders wichtig. Denn wenn Sie einen solchen Vertrag wesentlich früher und vor Ablauf der Bindung beenden wollen, fällt natürlich die Vorfälligkeitsentschädigung ohne Sondertilgungsmöglichkeiten extrem hoch aus.

Wie reagiert die Bank auf meinen Wunsch?

Arns: Die Bank hat oftmals nichts dagegen, weil sie ja mit der Entschädigung zunächst keinen offensichtlichen Zinsschaden hat. Sie verliert einen Kunden. Will sie ihn behalten, bemüht sie sich um ein neues Engagement und kommt ihm entgegen, zum Beispiel wie oben beschrieben. Es gibt aber auch Banken, die eine vorzeitige Vertragsauflösung grundsätzlich ablehnen, insbesondere wenn hohe Sondertilgungsmöglichkeiten dagegen sprechen und diese Verrechnungen die Refinanzierung des Kredits durch die Bank in Gefahr bringen würden.

Gibt es außer der Vorfälligkeitsentschädigung andere Kosten, mit denen ich rechnen muss?

Arns: Grundsätzlich nur Fremdkosten: Bleibe ich bei der Bank, entstehen keine Notarkosten. Wechsle ich die Bank, fallen die Kosten zur Eintragung der Sicherheiten erneut an. Das will gegengerechnet werden mit einem vielleicht etwas schlechteren Zinssatz - zum Beispiel 0,25 Prozent - bei meiner bisherigen Bank. Man muss auch beachten, dass sich die angebotenen Zinssätze der Banken nicht gravierend unterscheiden. Es kommt mehr auf die ausgefeilten Bedingungen wie Sondertilgungsmöglichkeiten an. Und der neue Vertrag sollte unbedingt eine höhere Tilgung enthalten. Hat der alte Vertrag sagen wir 3,9 Prozent Zinsen und ein Prozent Tilgung, und hat der neue Vertrag 2,9 Prozent, beträgt die Tilgung bei gleich hoher Rate zwei Prozent.

Es gibt auch die Möglichkeit, den Vertrag nicht zu kündigen, aber schon vor Ablauf einen neuen Vertrag abzuschließen?

Arns: Ab etwa zwei Jahre vor Ablauf des Kreditvertrages akzeptieren die Banken sogenannte Forwarddarlehen. Man schließt jetzt ab, die neuen Bedingungen beginnen sich aber erst nach Ablauf des Altvertrages auszuwirken. Der neue Zinssatz orientiert sich am jetzigen Marktzins, allerdings schlagen die Banken je nach Einschätzung der künftigen Zinsentwicklung eine Prämie auf den momentanen Marktzins auf. In der Regel von 0,25 bis 0,5 Prozent. Denn wie der Kunde, rechnen auch sie heute mit künftig höheren Zinsen. Fällt der Aufschlag nicht zu hoch aus, lohnt sich die vorzeitige Verlängerung des Darlehensverhältnisses bereits jetzt. Bleibt man bei der bisherigen Bank, fallen keine neuen Kosten für den Notar an. Das Thema Vorfälligkeit entfällt hier vollkommen. Ferner ist darauf zu achten, dass die neu gewählte Anschlusszinsbindung die volle gewünschte Zinslaufzeit hat und keine Anlaufzeiten abgezogen werden beziehungsweise verloren gehen. "Bei Wechsel der Bank fällt Notargebühr an."

Rüdiger Arns

Auf einen Blick

Rüdiger Arns ist Bankkaufmann und berät für die Verbraucherzentrale in Dillingen. Er empfiehlt, sich vor dem ersten Gang zur Bank beraten zu lassen, weil jede Situation anders zu beurteilen ist. Das gilt vor allem, wenn zum Beispiel Bausparverträge oder Lebensversicherungen Teil der Immobilienfinanzierung sind.

Die Beratung kostet 30 Euro im angefangenen 20-Minutentakt. we

Kontakt: Verbraucherzentrale Dillingen, Telefon (0 68 31) 97 65 65, E-Mail (Festnetznummer angeben): vzdillingen@ vz-saar.de oder Beratungsstelle Saarbrücken, Tel. (06819 500890, E-Mail: vz-saar@vz-saar.de.

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