Eine Eiche in den Mühlen der Bürokratie

Bübingen. Der Garten von Margarete Zeihen in Bübingen ist das, was man sich unter einem idealen Garten vorstellt. Hier wachsen Salat, Gurken, Bohnen und Zucchini. Am Gartenrand stehen Stachelbeer- und Brombeersträucher, in einem kleinen Gewächshaus gedeihen Tomaten. Eine Idylle mit einer Einschränkung: Der Garten kann nicht mehr genutzt werden

Bübingen. Der Garten von Margarete Zeihen in Bübingen ist das, was man sich unter einem idealen Garten vorstellt. Hier wachsen Salat, Gurken, Bohnen und Zucchini. Am Gartenrand stehen Stachelbeer- und Brombeersträucher, in einem kleinen Gewächshaus gedeihen Tomaten. Eine Idylle mit einer Einschränkung: Der Garten kann nicht mehr genutzt werden. Keine Ernte, kein Rasenmähen, kein Wäscheaufhängen, kein Hinsetzen. Schuld daran sind eine etwa 25 Meter hohe Eiche und ihre Bewohner. Seit diesem Sommer nistet hier der Eichenprozessionsspinner und lähmt jegliches Leben. Vögel und Eichhörnchen haben den Baum längst verlassen. Nur die Schnecken am Boden freuen sich über den Salat.Raupen haben GifthaareDie Raupen des Eichenprozessionsspinners haben lange Gifthaare, die beim Menschen Ausschlag oder gar einen allergischen Schock auslösen können. Daher schicken die Nachbarn von Margarete Zeihen ihre Kinder nicht mehr in den Garten und halten die Fenster geschlossen. Der befallene Baum steht hinter dem Haus an einem Hang und kann mit Hubwägen und Leitern nicht erreicht werden. Um die Raupen beseitigen zu können, musste eine Firma beauftragt werden, die mit Seilen gesichert in den Baum kletterte. Kosten für die Entfernung von 14 Nestern: 780 Euro. Die wird Margarete Zeihen wohl nun jedes Jahr zahlen müssen. Denn fällen darf sie den befallenen Baum nicht. Das verbietet die Baumschutzsatzung der Stadt Saarbrücken. Bereits vor dem Befall stellte sie einen Antrag auf Fällung. Etwa zwei Meter über dem Boden teilt sich der Baum. Deutlich ist an dieser Stelle ein Riss zu erkennen. Bei Sturm, befürchtet Zeihen, könnten Teile des Baumes in das Nachbarhaus stürzen. Ein Sicherheitsgurt würde 350 Euro kosten. Die regelmäßigen Kontrollen kosten ebenfalls. Für die Untere Naturschutzbehörde des Saarbrücker Amtes für Klima- und Umweltschutz sind dies alles jedoch keine Gründe, das Fällen zu genehmigen. In der Ablehnung heißt es: "Auswirkungen der Klimaveränderung, wie das Auftreten des Eichenprozessionsspinners können nicht als Argument genutzt werden, um weitere klimaschädliche Maßnahmen, nämlich das Fällen von Bäumen zu fordern." Der Schutz des Baumes hat für die Behörde Vorrang. Die Baumschutzverordnung kennt klare Ausnahmeregelungen: Gefällt werden dürfe nur, wenn "von dem Baum Gefahren für Personen oder Sachen ausgehen und die Gefahren nicht auf andere Weise und mit zumutbarem Aufwand zu beheben sind". Thomas Blug, Stadtpressesprecher, erklärt, dass es im Umfeld des Gartens von Margarete Zeihen zwar etliche Bäume gibt, jedoch keinen, der in Größe und Gestalt vergleichbar ist. Die Stadt sei sich der Gefahr durch den Eichenprozessionsspinner bewusst. Aber "keinesfalls kann man einfach Eichen fällen, die vom Spinner befallen werden. Im Laufe der Zeit müsste man dann alle Eichen fällen, und das ist nicht verhältnismäßig", sagt Thomas Blug.Ablehnung nicht akzeptabelEin paar Straßen weiter befindet sich das Grundstück von Manuela Braun. Ihre 30-jährige Eiche war vor zwei Jahren ebenfalls vom Eichenprozessionsspinner befallen - und durfte gefällt werden. Anhand von Attesten konnte Manuela Braun die Auswirkungen auf die Gesundheit belegen. Einzige Auflage der Umweltbehörde war es, als Ersatz für die Eiche einen neuen Baum zu pflanzen. Heute wächst an dem Ort eine Buche. Ein ähnlicher Fall mit unterschiedlichem Ergebnis. Für Margarete Zeihen ist die Ablehnung daher nicht hinnehmbar, zumal sie auch Mieteinbußen befürchtet. Die Mieter der zwei Wohnungen in ihrem Haus sind Allergiker und werden wohl Mieterlass fordern oder wegziehen. Margarete Zeihen hat daher gegen die Entscheidung der Stadt Widerspruch eingelegt, über den am heutigen Mittwoch vor dem Saarländischen Verwaltungsgericht entschieden wird.

HintergrundDer Prozessionsspinner ist ein Forstschädling. Gefährlich sind die Larven des Nachtfalters. Nach dem dritten Entwicklungsstadium bilden die Raupen Gifthärchen mit Widerhaken, die beim Menschen allergische Reaktionen hervorrufen. Das Nesselgift Thaumetoporin kann Hautausschlag, Hautentzündungen, Schwindel, Fieber und in Ausnahmefällen einen allergischen Schock hervorrufen. Die Raupen des Spinners leben in Gruppen von 20 bis 30 Individuen, die sich im "Gänsemarsche" auf Nahrungssuche machen, daher der Name Prozessionsspinner. Die Bekämpfung der Raupen sollte durch Fachleute durchgeführt werden. Dazu werden meist Insektizide eingesetzt und die Eigelege mit einem Sprühkleber versiegelt. Danach müssen sie mechanisch entfernt und in einem verschlossenen Verbrennungssystem vernichtet werden. fab

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