Innerparteilicher Streit Eine Bundestagswahl ohne die Linke?

Saarbrücken · Zwei Funktionäre wollen erreichen, dass die Partei im Saarland nicht antreten darf. Die Stimmung ist im Keller.

 Die Landesvorsitzende Astrid Schramm (in rot) – hier bei einem Parteitag im Jahr  2015 – fordert eine Aufklärung der Vorwürfe.

Die Landesvorsitzende Astrid Schramm (in rot) – hier bei einem Parteitag im Jahr  2015 – fordert eine Aufklärung der Vorwürfe.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Unter dem Aktenzeichen 3O163/17 wird vor dem Landgericht am Mittwoch ein Antrag verhandelt, der das Ergebnis der Bundestagswahl im Saarland durcheinanderwirbeln könnte. Es geht um die Frage, ob die Partei Die Linke, die 2013 immerhin 10,0 Prozent holte, mit einer Landesliste zur Bundestagswahl antreten darf. Zwei Personen wollen das verhindern. Ihr Eilantrag ist darauf gerichtet, die Partei zu verpflichten, ihre Liste wegen Verstößen gegen das Bundeswahlgesetz zurückzuziehen. Fällt die Liste vor Gericht tatsächlich durch, wäre es das für die Linke: Eine Wiederholung der Listenaufstellung ist nicht möglich, weil die Einreichungsfrist am 17. Juli abgelaufen ist.

Das Kuriose und Brisante an dem Fall ist: Nicht irgendwelche Linken-Hasser haben vor Gericht beantragt, dass die Liste mit dem Spitzenkandidatin Thomas Lutze zurückgezogen werden muss. Sondern zwei Menschen, die es eigentlich gut mit der Partei meinen müssten: Adolf Loch, der Schriftführer der Saar-Linken, und Thomas Schaumburger, der vor wenigen Tagen im Amt bestätigte Vorsitzende des landesweit größten Ortsverbandes Saarbrücken-Malstatt.

Die Stimmung in der Partei ist nach den jüngsten Auseinandersetzungen am Nullpunkt. Ein erfahrener Funktionär sagte der SZ: „In Sizilien geht es zivilisierter zu als bei uns.“ Worum geht es konkret? Lochs und Schaumburgers Anwalt Hans-Georg Warken sagte auf Anfrage, der Grundsatz der freien und geheimen Wahl sei bei der Aufstellung der Landesliste am 7. Mai nicht eingehalten worden. Ihm lägen mehrere eidesstattliche Versicherungen von Teilnehmern vor, die dies belegen. „Was ich vorzutragen habe, ist starker Tobak“, sagte Warken.

Zwei Mitarbeiter Lutzes sollen Mitglieder demnach angewiesen haben, ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen, und dies auch kontrolliert haben. Auch soll Geld an Mitglieder geflossen sein, die mit einem Bus zu der Versammlung gekarrt wurden. „Wenn sich das bestätigen sollte, sehe ich rot, das wäre wirklich schlimm“, sagte Parteichefin Astrid Schramm. Die Vorwürfe müssten ausgeräumt werden. Hier und da in der Partei zu hörende Gerüchte, sie stecke mit Loch und Schaumburger unter einer Decke, weist sie empört zurück.

Schaumburger sagt, mit den Gesetzesverstößen bei der Listenaufstellung sei „eine rote Linie überschritten“ worden. Es gehe ihm ums Prinzip, nicht um Personen. Doch Spitzenkandidat Lutze widerspricht seinen Gegnern: „Sie werden nicht verhindern können, dass die Liste angenommen wird. Das einzige ist: Wir stehen in der Öffentlichkeit doof da. Ihr Ziel ist es, die Partei so zu schwächen, dass es nicht für ein Bundestagsmandat reicht.“ Die Vorwürfe seien haltlos.

Der Eilantrag vor Gericht ist bereits der dritte Versuch, die Landesliste zu Fall zu bringen. Zunächst brachte Landesvorstandsmitglied Loch die Sache vor die Schiedskommission der Partei. Dort soll einer der beschuldigten Lutze-Mitarbeiter, der im Hauptberuf Chef eines auf Volksfesten gefragten Imbiss-Betriebes ist, erklärt haben, er habe einige Mitglieder – seine Neffen – beraten, wie man einen Stimmzettel ausfüllt. Die Schiedskommission fand keine Gesetzesverstöße.

Als nächstes gingen bei Landeswahlleiterin Monika Zöllner die Schilderungen von sechs Zeugen ein, die gesehen haben wollen, dass die Stimmabgabe für die Wahl der Listenplätze 1 (Thomas Lutze) und 2 (Lutzes Mitarbeiterin Andrea Neumann) kontrolliert wurde. Die Landeswahlleiterin prüfte die Vorwürfe und riet der Linken vorsorglich, ihre Liste zurückzuziehen und eine neue aufzustellen. Denn sie könne nicht ausschließen, dass der Landeswahlausschuss am 28. Juli die Landesliste ansonsten zurückweist.

Doch diesen Rat nahm die Partei nicht an. Der Landesvorstand sei sich einig gewesen, die Liste nicht neu zu wählen – auch weil es zeitlich eng geworden wäre, auf die Schnelle 2500 Mitglieder einzuladen und eine passende Halle zu finden, gibt Lutze an. Bei Schramm klingt das etwas anders: „Wir hätten noch Zeit gehabt, aber Herr Lutze und Frau Neumann wollten keine Neuwahl, Herr Lutze ganz vehement.“ Lutze habe dafür sorgen wollen, dass die Vorwürfe bei der Landeswahlleiterin entkräftet werden. Das sieht er als erfüllt an: Mindestens 50 Teilnehmer der Mitgliederversammlung hätten inzwischen schriftlich bestätigt, dass die Vorwürfe haltlos sind, teilweise in Form eidesstattlicher Versicherungen.

Das alles zeigt, wie kompliziert das Verhältnis Schramm/Lutze inzwischen ist. Ein anderes Beispiel: Während Schramm jüngst am Gardasee weilte, ließ Lutze von einem Schlüsseldienst einen von Schramm verschlossenen Aktenschrank in der Geschäftsstelle öffnen. „So etwas macht man einfach nicht. Ich wäre nie auf eine solche Idee gekommen“, sagt Schramm. Als sie den geöffneten Schrank sah, verständigte sie die Polizei. Lutze räumt ein, mit einem Griff zum Telefonhörer wäre das „Missverständnis“ vermeidbar gewesen. Zur Rolle der Landesvorsitzenden Astrid Schramm will er nichts weiter sagen. Nur dies: Spätestens im November werde der Landesvorstand neu gewählt. „Sie hat das Recht zu kandidieren. Ob sie da eine Mehrheit bekommt, ist ihre Sache.“

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