Serie Kurioses von Saar-Promis Eine Bombe gegen Joho

Saarbrücken · Überraschende Geschichten über Saar-Prominente in einer Ausstellung im Historischen Museum. SZ-Serie Teil 1.

 Die Überreste der Briefbombe, zu sehen in der Schau „Saarprominenz“ im Historischen Museum Saar.

Die Überreste der Briefbombe, zu sehen in der Schau „Saarprominenz“ im Historischen Museum Saar.

Foto: André Mailänder, Historisches Museum Saar/André Mailänder

Das Historische Museum Saar stellt in einer Ausstellung die aus ihrer Sicht 29 wichtigsten prominenten Saarländer vor. Die SZ enthüllt Überraschendes und Kurioses, das sich aus den Exponaten ablesen lässt. Heute erzählen wir, warum eine relativ ungefährliche Briefbombe aus dem Jahr 1955 noch 42 Jahre später Schlagzeilen machte.

Er war der wohl umstrittenste Ministerpräsident des Saarlandes: der katholisch-konservative CVP-Politiker Johannes Hoffmann (1890-1967). Aber dass man ihm, der die Angliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik verhindern wollte, deshalb gleich eine Bombe ins Haus schicken musste? Es waren explosive Zeiten, es lief der Abstimmungskampf um das Saar-Referendum. am 23. Oktober 1955 und danach entspann sich ein Agententhriller, der sich bis 1997 hinzog. Den man  auch als Posse sehen kann. Und die begann sehr dramatisch. Der Postbote gibt am 5. Februar 1955 einen gelben Geschäftsbrief im Privathaus von Hoffmann, der im Volksmund Joho genannt wird, mit dem Hinweis ab, er sei Leuten beim Saarbrücker Postamt verdächtig vorgekommen. Der Ministerpräsident selbst ist nicht im Haus, man verständigt den Innenminister und den Polizeipräsidenten und bringt den Brief zur Waffenmeisterei der Landespolizei. Die Experten finden darin eine 13 Zentimeter große Briefbombe und können sie entschärfen.

 Johannes Hoffmann war 1955 Ziel eines erfolglosen Briefbomben-Anschlags.

Johannes Hoffmann war 1955 Ziel eines erfolglosen Briefbomben-Anschlags.

Foto: Union-Stiftung/Historisches Museum Saar/Union-Stiftung

Bald darauf wird als Absender der 35-jährige Matthias Göbel ermittelt, ein Kommunist. Göbel entwischt jedoch in die DDR. Als er 1985 als Rentner in die Bundesrepublik einreisen will, wird er als vermeintlicher Attentäter verhaftet und verurteilt, dann aber freigelassen, weil die Tat verjährt ist. 1997 wendet sich ein 85-Jähriger – Albrecht Weise – an den „Focus“, um zu „beichten“: Er sei es gewesen, der unter Göbels Namen die Briefbombe geschickt habe – im Namen der Stasi. Aber warum? Dazu kursieren nur Spekulationen. Etwa die Stasi habe die Stärkung der BRD durch die Rückgliederung des Saarlandes verhindern wollen. Deshalb hätte man Hoffmann zum Märtyrer machen wollen. Oder: Die Kommunisten wollten das von Hoffmann favorisierte Saarstatut verhindern, weil ein autonomes Saarland die Verwirklichung des Schuman-Plans erleichtert hätte und auch die Aufnahme der BRD in die Nato leichter geworden wäre. Oder: Ein Attentat gegen den profranzösischen Hoffmann hätte man „nationalistischen“ Kräften unterschieben und so das Ansehen der jungen Bundesrepublik erschüttern können. Die noch junge Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich wäre schwer beschädigt worden.

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