Eine andere Art von KircheGroßes Interesse am neuen Stil

Rappweiler. Kirche für Jugendliche attraktiv gestalten - das war vor mehr als zwei Jahren die Idee einiger Jugendlichen im Dekanat Losheim-Wadern. Und sie hat sich etabliert: Nach der anfänglichen Experimentierphase wird dort aus dem Projekt Jugendkirche ein langfristiges Projekt

 Selber machen ist angesagt - nicht nur bei der Plakatgestaltung. fotos: dekanat

Selber machen ist angesagt - nicht nur bei der Plakatgestaltung. fotos: dekanat

Rappweiler. Kirche für Jugendliche attraktiv gestalten - das war vor mehr als zwei Jahren die Idee einiger Jugendlichen im Dekanat Losheim-Wadern. Und sie hat sich etabliert: Nach der anfänglichen Experimentierphase wird dort aus dem Projekt Jugendkirche ein langfristiges Projekt. "Sie soll eine Marke für die Jugendarbeit im Dekanat werden", wünscht sich der Pastoralreferent Thorsten Hoffmann. "Bei einer Zukunftswerkstatt in Köln haben die Jugendlichen überlegt, wie man kirchliche Jugendarbeit in unserem Dekanat konzipieren kann", erläutert Hoffmann. Bei der Aktion gab es eine Kritik-, eine Phantasie- und eine Realisierungsphase. In der Kritikphase habe sich herausgestellt, dass sich die Jugendlichen vor allem am Kirchenraum und den Gottesdiensten störten: Sie seien zu klassisch, fasst der 18-jährige Marcel Josten aus Morscholz zusammen.

Altersgerechtes Ambiente

Ganz unterschiedliche Ideen gab es laut der 20-jährigen Veronika Weiher aus Mitlosheim in der Phantasiephase. Dabei wurden beispielsweise eine Open-Air-Kirche oder eine Kirche ganz in Pink entworfen. "In Köln haben wir eine Jugendkirche besichtigt und geschaut, was wir so oder anders machen wollen", erklärt Veronika. Zurück im Saarland sei die Realisierungsphase in der Pfarrkirche in Rappweiler gestartet. "Wir hatten anfangs nicht die Vorstellung, dass dabei tatsächlich eine Jugendkirche rauskommt", zeigt sich Pastoralreferent Hoffmann über die Entwicklung erfreut.

Die Jugendlichen gestalteten den Kirchenraum um, damit Gottesdienste in einem altersgerechten Ambiente stattfinden können. Dafür wurden unter anderem die Bänke zur Mitte des Kirchenraumes ausgerichtet, und ein Schreiner baute einen neuen Altar, der nun im Zentrum der Kirche steht, erläutert Hoffmann. "Die Menschen haben im ersten Moment gedacht, dass es nach der Umgestaltung nicht mehr die alte Kirche ist. Meine Oma kam zu uns: 'Die haben in Rappweiler alle Bänke weggeschmissen und jetzt wollen sie auch noch den Altar wegschmeißen!' Aber diese Angst hat sich gelegt", berichtet Veronika. "Nach der Messe bleiben viele in der Kirche im Gespräch", erzählt der Gemeindereferent Jörg Mang. "Ein anfängliches BefremdenGefühl hat sich in eine Atmosphäre des Wohlfühlens und des Zusammenrückens verändert. Dadurch, dass der Altar nun den räumlichen Mittelpunkt bildet, empfindet man ein neues Gemeinschaftsgefühl", fügt er hinzu.

Viele Ideen in petto

"Es ist eine Herausforderung und eine Besonderheit, dass das Gotteshaus sowohl als Pfarr- als auch als Jugendkirche funktioniert", betont Hoffmann. Jugendkirchen befänden sich in Deutschland oft in Kirchen, die leer stehen, und nicht mitten in der Pfarrei, wie in Rappweiler. Der offizielle Start des langfristigen Projekts ist am 1. April. Man wolle, so Hoffmann, beim Projektcharakter bleiben. Das heißt, weiter zu reflektieren und zu schauen, wo man steht und was man noch machen kann. "Wir haben eine Menge Ideen", sagt der Pastoralreferent. Rappweiler. "Bei der Jugendkirche werden die Jugendlichen beteiligt. Sie lesen nicht nur etwas vor, sondern bringen sich selbst mit ihren Ideen ein", erläutert Thorsten Hoffmann das Konzept, "die Botschaft bleibt, wird aber anders umgesetzt." Die Beteiligung der Jugendlichen ist dabei vielfältig.

"Wir können wählen, mit welchen Themen wir uns auseinander setzen und wie der Gottesdienst aufgebaut ist", erklärt Veronika Weiher. "Wir bestimmen beispielsweise, wie dekoriert und welche Musik gespielt wird. Wir haben auch mal Lieder aus den Charts, wenn sie vom Text her passen, und auch eine Rockband hat schon gespielt", fügt sie hinzu. "Ich bin selbst Messdiener und sehe, welche Resonanz klassische Gottesdienste bringen. Gerade der Anteil an Jugendlichen ist relativ gering", sagt Marcel Josten. Der Reiz für ihn sei, dass er Kritik üben und etwas ändern könne.

Jeder kann sich einbringen

"Jetzt können wir unseren Freunden zeigen, dass es auch eine andere Art von Kirche gibt", freut er sich. Die Resonanz auf die Jugendkirche sei groß. "Einmal sollten Fürbitten aufgeschrieben werden. Da hat ein Mädchen gefragt, was das ist. Es kommen eben auch Menschen, die normal nicht in die Messe gehen", erläutert Veronika.

"Die Besucherzahlen sind mit jedem Gottesdienst gestiegen. Überrascht hat mich, dass so viele Erwachsene kommen", zeigt sich der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates, Heinrich Wollscheid, erfreut. "Mit rund 80 Besuchern ging es los, zum Jahresabschluss kamen gut 200", ergänzt Jörg Mang. Die Menschen kämen aus dem gesamten Dekanat und über dessen Grenzen hinaus, etwa aus Schmelz und Limbach. Das gelte auch für die Vorbereitungs-Treffen. Zu den Treffen könne jeder kommen und es gebe immer wieder neue in der Gruppe, fügt Veronika hinzu.

Die Vorbereitung, Auf- und Abbau, alles gehe Hand in Hand. "Jeder weiß genau, wo was hinkommt und kümmert sich darum", betont sie. rfe

Hintergrund

Im Herbst 2010 nahmen 35 Jugendliche an einer Zukunftswerkstatt in Köln teil, bei der es unter anderem um Jugendkirchen ging. Anschließend gab es mehrere Jugendgottesdienste in Rappweiler. Im März 2012 wurde auf einer Dekanatskonferenz beschlossen, ein Projekt "Jugendkirche" im Dekanat Losheim-Wadern umzusetzen. Rappweiler wurde als Ort favorisiert, weil es unter anderem die geographische Mitte des Dekanas bildet, gut mit Bussen erreichbar ist und einen interessanten Kirchenraum hat. Der Pfarreien- und der Verwaltungsrat in Rappweiler genehmigten im Mai die Experimentierphase bis Ende 2012. Es gab Beratungen unter anderem in der Dekanatskonferenz, im Dekanatsrat, im Pfarreienrat, mit Weihbischof Robert Brahm und dem Leiter der Abteilung Jugendpastoral in Trier. Im Mai und Juni wurde der Kirchenraum umgestaltet und das Projekt startete mit der Firmung durch den Generalvikar Georg Holkenbrink.

Ab Juni fanden monatlich "Chill-Out-Gottesdienste" statt. Außerdem gab es Aktionen wie Familienerlebnistage und Schulgottesdienste. Bei einer öffentlichen Sitzung des Pfarreien- und Verwaltungsrates im Januar wurde beschlossen, dass aus der Jugendkirche ein langfristiges Projekt wird. rfe

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